Die besten technischen Innovationen in der Formel 1
Wenn die Tachonadel nach oben steigt und die Formel 1 Fahrer in den Kurven stärkerer Erdschwerebeschleunigung ausgesetzt werden als Astronauten, steigt auch bei den Zuschauern die Spannung an.
Aber nicht nur Fans des Autosports verfolgen gebannt die Rennen auf den internationalen Grand-Prix-Strecken. Für die gesamte Automobilbranche sind die technischen Innovationen, die die Siege und Podiumsplätze in der Formel 1 beeinflussen, Vorbilder für die Entwicklung bei den Straßenwagen. Auch die Buchmacher der Sportwetten haben hier ein genaues Auge auf technische Neuerungen, um Quoten zu berechnen.
Zu den frühen Innovationen zählen die Scheibenbremsen. Die im Krieg in Flugzeugen und Panzern eingesetzten Metallscheiben hatten ihre Formel-1-Premiere 1951, in der zweiten Saison der Königsklasse. Der britische Rennstall BRM verwendete sie in seinen Rennwagen. Zwei Jahre später wurden die ersten Scheibenbremsen von Dunlop in Straßenfahrzeugen montiert. Mittlerweile bestehen in der Formel 1 die Scheibenbremsen fast ausschließlich aus dem für Arbeitstemperaturen von 350 Grad Celsius bis zu 1000 Grad geeigneten, extrem leichten Carbon. In den meisten Straßenwagen wird weiterhin auf Metall gesetzt, weil die Arbeitstemperatur beim normalen Fahren weit unter den idealen Bedingungen für Carbon bleibt und das herkömmliche Metall eine ungleich höhere Lebensdauer besitzt.
Ein sequenzielles Getriebe ist eine Innovation, die Ende der 1980er und anfangs der 1990er Jahre die Rennwelt verändert hat. Die von Williams entwickelten Flappy Paddles ersetzten den Schalthebel. Statt bisher eine Hand zum Schalten zu benutzen und dadurch nur einhändig zu steuern, blieben nun beiden Hände am Lenkrad. Obgleich das Wechseln etwa vom zweiten in den fünften Gang im sequenziellen Getriebe nicht mehr möglich war, waren die Flappy Paddles nach den ersten Anlaufschwierigkeiten so schnell und zuverlässig, dass die Formel 1 nicht mehr zurückblickte. In den modernen Straßenwagen sind sie überwiegend in auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegten Fahrzeugen wie dem Ariel Atom und Caterham, aber auch in Automatikautos zu finden.
Chassis aus Kohlefaser haben ebenfalls ihren Ursprung auf den Grand-Prix-Rennstrecken. Das erste selbsttragende Chassis aus dem neuen Material wurde 1981 vom Autodesigner John Bernard für McLaren hergestellt. Kohlefaser ist 3,5-mal stärker als Stahl, wiegt aber nur ein Fünftel und ist deutlich expansiver. Binnen kurzem stiegen auch die anderen Formel-1-Teams auf Kohlefaser um. Die meisten Erbauer von Straßenwagen folgten dem Beispiel, obwohl die Modelle mit reinem Kohlefaserchassis überwiegend zu den teuren Fahrzeugen gehören. Unter anderem zählen diverse Fahrzeuge von Jaguar, Porsche, McLaren und Pagani dazu.
Etliche Erfindungen aus dem Motorsport haben schon in den Anfängen der Autobegeisterung alle Fahrzeuge beeinflusst. Der Rückspiegel stammt zum Beispiel geht auf den Einfallsreichtum eines US-amerikanischen Rennfahrers zurück. Statt wie alle anderen einen Zweisitzer zu fahren, bei dem der Hintermann mit dem Rücken zum Piloten saß und diesen über das Feld informierte, baute Ray Harroun 1911 eine einsitzige Mormon Wasp und stattete diese mit einem Rückspiegel aus. Die Rennleitung wollte ihn zunächst nicht für die „500 Meilen“ von Indianapolis zulassen, weil ihnen der Spiegel als Ersatz für den Co-Piloten zuwenig erschien. Harroun setzte sich durch und gewann mit seinem viel leichteren Wagen das Ausdauerrennen.
Patentiert wurde der erste Rückspiegel, der auch auf normalen Fahrten die Sicherheit deutlich verbesserte, im Jahr 1914. Der so genannte Cop Spotter wurde 1921 patentiert. Mehr Leistung und zugleich mehr Sicherheit steht nicht zuletzt aufgrund von tödlichen Unfällen immer wieder im Blickpunkt der Formel 1. Die Aerodynamik ist dabei ein wichtiger Faktor.
In den 1960er Jahren kam der Ingenieur und ehemalige Rennfahrer in der Formel 1 auf die Idee, ein Prinzip aus der Luftfahrt zu modifizieren und das Auto in den Kurven nach unten zu drücken. Das Ergebnis war der Chaparral 2F, ein Fahrzeug mit einem großen beweglichen Flügel am Heck, der Unterdruck erzeugte und so die Bodenhaftung der Reifen bei hohen Geschwindigkeiten verbesserte.
Die Idee eines Frontflügels wurde 1968 aufgegriffen. Wie sehr die verbesserte Aerodynamik das Fahrverhalten beeinflusste, zeigte sich bald an den Siegesstatistiken. Seitdem haben Front- und Heckflügel einige Veränderungen erlebt, und bei den Straßenfahrzeugen haben dadurch inspirierte Spoiler ebenfalls einiges an Evolution erlebt.
Die optisch auffälligen Anbauteile hatten vor allem junge Autofans so begeistert, dass vor allem in den 1970er und 1980er Jahren immer mehr und immer größere Spoiler auf den Straßenfahrzeugen montiert wurden. Um Aerodynamik ging es den Fahrern dabei allerdings deutlich weniger als um das sportliche Aussehen. Schließlich konnten in den seltensten Fällen legal die Geschwindigkeiten erreicht werden, die den Einsatz von riesigen Spoilern rechtfertigen. Während diskrete Spoiler heute bei den Straßenmodellen zum Großteil in die Karosserie integriert sind, besitzen etliche Hochleistungsautos automatisch ausfahrbare Heckflügel, die den Wagen bei hohem Tempo auf der Straße halten.
Auch bei den Motoren sind die Formel-1-Boliden wegweisend, was die Zukunft der Straßenfahrzeuge angeht. Das gilt sogar für die mögliche Rückkehr zu schon im Aussterben geglaubter Technologie. Verbrennungsmotoren, die in den kommenden Jahren endgültig abgeschafft werden sollten, stehen bei etlichen Konstrukteuren unerwarteterweise wieder im Mittelpunkt des Interesses. Wenn diese trotz der Konkurrenz durch E-Autos eine Zukunft haben, werden die Rennställe auch hier als Wegbereiter gesehen. Kein Wunder also, dass die gesamte Branche jedes Rennen und jede Veränderung mit Spannung verfolgt.