Porsche 924 und 928 auf Sommererprobung in Algerien (2/3)
(Teil 2/3) Die große Sommer-Erprobungsfahrt für die beiden Neuentwicklungen Porsche 924 und 928 (Porsche & Ducktails vom 6. Dezember 2015) fand 1974 bei ausnehmend großer Hitze – also unter hierfür idealen Bedingungen – in der algerischen Sahara statt (siehe Artikel Porsche & Ducktails vom 13. Dezember 2015).
Auf dem Weg nach Algerien
1974 – beide Fahrzeuge befanden sich im Prototypenstadium (der 928 noch getarnt in einem mittig aufgeschnittenen und auf 928 Maße verbreiterten Audi 100 Coupé S, der 924 bereits (ungetarnt) in seiner letzten Baustufe vor der Nullserie) – brach eine Mannschaft aus dem Entwicklungszentrum Weissach mit mehreren Fahrzeugen (unter anderem ein Werkstatt VW Bus mit einem 911 Motor im Heck, um im Fall des Falles kleinere Reparaturen rasch zu ermöglichen, sowie ein bestens mit Werkzeug ausgerüsteter LKW, voll mit Ersatzteilen) unter der Leitung des Entwicklungsvorstands Helmuth Bott mit dem Ziel Algerien auf. Mit dabei Ingenieure und Techniker aller Fachbereiche (Motor/Getriebe/Fahrwerk/Karosserie und Elektrik) und zugehöriges Werkstatt Fachpersonal.
Auf dem Landweg ging es auf kürzestem Weg nach Marseille. Von dort wurde auf einer großen Fähre nach Algier übergesetzt. Dann ging es auf dem schnellsten Weg (damit ist NICHT NUR der kürzeste Weg gemeint!) quer durchs Atlasgebirge nach Süden in Richtung Sahara – angeführt von Helmuth Bott im 924, mit mir – zuständig für die Karosserieentwicklung des 924 – als „armem“ Beifahrer, weil ich schon seit meiner Kindheit der eher „empfindliche“ Mitfahrer war, was meine Magenreaktionen beim Autofahren betraf..
Bott war ein begnadet schneller Fahrer – es war nicht zu verkennen, daß sein Ursprung in der Fahrwerksentwicklung lag. Es bereitete ihm größtes Vergnügen, mit dem leistungsmäßig gegenüber 928 und 911 (dessen nächstes Modellpflegeprogramm auch zu erproben war) unterlegenen 924 zu zeigen, welches Potential in diesem zum Teil zwar aus VW Fahrwerkskomponenten bestehenden, jedoch durch die Porsche Fahrwerksingenieure fein abgestimmtem Fahrzeug steckte. Immer wieder mußten wir – was Bott gar nicht gefiel – anhalten, damit die hinter uns Fahrenden aufschließen konnten.
Stützpunkte in der Sahara
Für uns waren insgesamt 3 Stützpunkte in Hotels mit angeschlossener Garage in Wüstenstädten (Oasen) der Sahara reserviert – unter anderem in Tamanrasett (die südlichste Provinz Algeriens mit der gleichnamigen Hauptstad). Ein sehr geschätzter Vorteil dieser Algerienerprobung war, daß wir uns damals keine Sorgen wegen neugieriger Erlkönig-Fotografen zu machen brauchten. Algerien war in jenen Jahren ein abgeschottetes Land. Prototypfahrzeuge konnten somit umgetarnt gefahren werden.
Tägliche Erprobungsfahrten
Grundsätzlich war jeden Morgen pünktlich 6 Uhr Abfahrt zur geplanten Tagesetappe. Der Grund für diesen frühen Start: wir wollten so die morgendliche Kühle noch mitnehmen, bevor die sengende Sonne um die Mittagszeit die Innenräume unserer Fahrzeuge auf über 50°C aufheizte. Nicht jedes Fahrzeug verfügte damals über eine so komfortable Klimaanlage – gemessen am heutigen Stand!
Jedes Team bestand aus 2 Mitarbeitern. Wir waren reichlich mit Mineralwasser in Glasflaschen bevorratet. Auch der mit einem 911 Motor ausgerüstete VW-Bus Werkstattwagen fuhr die gleichen Erprobungsstrecken mit – lediglich der große Werkstatt-LKW nahm Abkürzungen, um strategisch an wichtigen Treffpunkten für den Fall größerer Reparaturen bereit zu stehen. Verbunden waren wir alle mit Profifunkgeräten – so konnte niemand verloren gehen.
Die Pisten durch die Sahara bestanden überwiegend aus gut asphaltierten, kilometerlangen Geraden in der Ebene. Zur Abwechslung gab es nach etlichen Kilometern eine Kurve, aber nur, um danach wieder in eine weitere, kilometerlange Gerade überzugehen. Die Straßenbreite ließ gerade noch das Passieren von zwei schweren Diesel-LKW zu (entweder im Gegenverkehr oder zum Brummi-Überholkampf, auch wenn die Geschwindigkeitsdifferenz nur im kleinsten Km/h-Bereich lag.
Die größte Tücke beim Fahren in der Sahara (neben der Ermüdungsgefahr durch die langen, mit Vollgas befahrbaren Geraden) lag darin, daß immer mal wieder teils viele Centimeter hohe Sandverwehungen als Folge von Wanderdünen einen Teil der Straße bedeckten. An diesen Gefahrenstellen waren zwar Schilder (analog Schneeverwehungen in Nordeuropa) aufgestellt – diese bedeuteten aber keineswegs 100%ige Gewissheit, jetzt tatsächlich eine Sandverwehung vorzufinden.
Die dadurch sich langsam einschleichende Nachlässigkeit – Gefahr wird zwar angezeigt, ist aber nicht zwingend vorhanden – sollte uns später noch zu einem kleinen Verhängnis werden..