Eine Reise in das Land des verblassten Glanzes: Tschechien
Tschechien ist nicht gerade das übliche Ziel, wenn man mit einem Porsche Boxster GTS mal ein paar Tage wegfahren möchte. Italien, Spanien oder die kurvigen Straßen des Elsass fallen hier eher ins Raster. Doch das fanden wir langweilig. Zugegebenermaßen spielten auch persönliche Gründe eine Rolle, die Reise in das weite Land endlich einmal anzutreten. Und so machten wir einen sehr ungewöhnlichen Trip in die Kornkammer Europas, die einst vor Glanz und Prunk so strotzte. Jetzt – heute, rund 70 Jahre nach der Vertreibung der Deutschen, ist dies alles verblasst – und genau das macht solch eine Reise so faszinierend: einer der schönsten Kurztrips überhaupt.
Unsere Route führte uns von Stuttgart über Plzen (Pilsen) nach Prag über Brünn nach Olomouc (Olmütz), Sternberk und endete in Wien.
Kurzer Stop in Plzen, dann weiter nach Prag
Meine Vorfahren mütterlicherseits lebten – bis auf eine Ausnahme meines Urgroßvaters aus Wien, der später aber auch ins Sudetenland zog – im ehemaligen Sudetenland (heutiges Tschechien), wurden im Zuge des verlorenen Krieges im Jahr 1945 vertrieben und mussten in das neue Deutschland umsiedeln. Noch nie zuvor hatte ich den Ursprung jenes Familienzweigs besucht; immerhin hatten dort fast drei Generationen gelebt. Adressen waren nicht mehr vorhanden, nur noch Namen und Ortschaften. Es galt, die genauen Häuser meiner Vorfahren zu finden.
Um nicht ausschließlich für die Familienrecherche in den Osten Tschechiens zu fahren, machten wir zuvor für zwei Nächte Halt in der historischen Hauptstadt Böhmens: in Prag. Und da man mit dem Auto ohnehin an Pilsen vorbeikommt, gönnten wir uns in der Pilsner Urquell Brauerei einen Schluck des sahnigen Bieres (der Beifahrer natürlich deutlich mehr als der Fahrer, denn in Tschechien gelten 0,0 Promille!).
In einer der reichsten Regionen Europas dreht man sich als Passant nach einem Porsche Boxster GTS – im Gegensatz zu Pilsen oder Olmitz – nicht mehr um. Das spielte aber auch keine Rolle, denn wir verstauten den offenen Straßenrennwagen sicher in der Tiefgarage des Hilton-Hotels am Rande der Altstadt. In Prag gibt es zwei Hilton Hotels: eines befindet sich noch im Bereich der Altstadt, das andere am Rand. Jenes am Rand (unseres) verfügt über eine prachtvolle Eingangshalle und ist beeindruckend groß.
Leider trügt der Schein der Exklusivität beim Betreten des Gebäudes, denn selbst die Doppelzimmer der zweithöchsten Kategorie (mit Stadt- oder Flussblick) ließen abgewohnten US-Siebziger-Flair aufkommen. Zwar ist man in Prag ohnehin die ganze Zeit unterwegs, jedoch trägt eine schöne Unterkunft auch zum Städtetrip-Flair dazu. Also Hilton meiden.
Die Stadt an sich ist phänomenal. Ich lasse hierfür teils kommentierte Bilder sprechen, bevor es mit unserem eigentlichen Ziel, Olmütz, weitergeht:
Von Prag über Brünn (Brno) nach Olmütz (Olomouc)
Die kostenpflichtige Autobahn von Prag nach Olmütz führt direkt an Brünn vorbei und eben jene Stadt zeigt sich von dieser Seite mit farbigen Plattenbauten von ihrer besten Seite – also warum nicht einen Blick riskieren.
Es ist normal, dass die Vorbezirke einer Großstadt – oder gar Metropole – meistens nicht repräsentativ für das jeweilige Zentrum dieser sind und dementsprechend verwahrlost erscheinen. Um sich ins Zentrum der zweitgrößten Stadt Tschechiens zu kämpfen, erlebt man aber eine neue Dimension der Ostblock-Qualität. Für einen Moment stellt sich die Frage, wohin genau eigentlich die EU-Fördermittel für Tschechien gehen. Doch eine ernsthafte Beschäftigung mit dieser Thematik würde Wochen in Anspruch nehmen.
Das Zentrum der über die Jahre stetig leicht wachsenden Stadt ist tatsächlich schön. Doch mit jenem Adjektiv soll es dann auch gut sein. Weiter geht es nach Olmütz – und damit in ein unerwartet fantastisches Hotel.
Das Theatre Hotel in Olmütz und der ländliche Osten von Tschechien
Wer tatsächlich mal in die Gegend um Olmütz geraten sollte (es ist aus nachfolgenden Gründen tatsächlich einmal eine ungewöhnliche Reise wert), muss sich im Theatre Hotel einquartieren.
Nicht nur, dass die Preise durch die inflationäre Tschechische Krone sehr touristenfreundlich sind, sondern das Design-Hotel auch durch ein modernes, fast schon futuristisches Innenleben, großzügige Zimmer, einem fantastischen Restaurant – das ziemlich sicher auf einem Michelin-Stern hinarbeitet – und einem grandiosen Spa-Bereich punktet. Zum Vergleich: ein Achtgang-Menü im Restaurant mit offener Küche und exzellenten sowie kreativen Speisen kostet umgerechnet rund 38 Euro.
Doch bei allem Wohlbefinden hatten wir einen selbsterteilten Auftrag, der uns zeitlich so einspannte, dass wir uns auch hier wieder kaum im Hotel aufhielten. Die Route führte uns von Olmütz über Sternberk in das Altvater-Gebirge bis fast zur Grenze nach Polen – nach Römerstadt. Durch die Zuvorkommenheit der Rathaus-Mitarbeiterinnen und das perfekt geführte Archiv fanden wir letztendlich auch die beiden Elternhäuser.
Nun, mich bewegte ein Teil meiner familiären Vergangenheit in die Gegend der (Ost-) Tschechei. Nie hätte ich gedacht, dass diese trotz ihrer absoluten Verwahrlosung so interessant und so beeindruckend sein kann. Vielleicht gerade deswegen.
Warum gerade die zwei vollen Tage rund um Olmütz und Sternberk so beeindruckend und faszinierend waren, zeigen folgende – wieder teils kommentierte – Impressionen:
Der Porsche Boxster GTS hat sich in dieser Zeit phänomenal geschlagen. Viele Straßen sind gut ausgebaut, einige haben noch deutlichen Ostblock-Charakter, sind aber selbst mit diesem tiefen Fahrwerk und mit einem bisschen Respekt sowie vorausschauendem Auge überwindbar.
Wer tatsächlich plant, diese oder eine ähnliche Route zu fahren, schreibt uns sehr gerne an: Redaktion@AUTOmativ.de. Auch ich war ganz bestimmt nicht das letzte Mal in Tschechien unterwegs.
Excellent photo mono-log Benjamin, with beautiful photographs. Glad you took the time to explore your Grandmothers and Christine’s roots. You are indeed a very talented young man. Well done!