VW Crafter II: Erste Fahrt im neuen Jumbo-Volkswagen
Ein vollkommen neues Design, eine neue Fabrik, eine neue Innenraumarchitektur, ein neues Fahrverhalten: am VW Crafter der zweiten Generation ist nichts mehr so, wie es einmal war. Wir haben schon viel über den großen Bruder des T6 berichtet – jetzt konnten wir den Luxus-Kleinlaster zum ersten Mal fahren.
Was ist eigentlich so anders am neuen VW Crafter?
Losgelöst von den Zwängen der Partnerschaft mit Mercedes-Benz hat Volkswagen Nutzfahrzeuge beim neuen VW Crafter mit einem weißen Blatt Papier angefangen.
Galerie: Erste Fahrt im neuen VW Crafter II
Und so beobachteten und analysierten die Ingenieure akribisch die verschiedensten Alltagssituationen ihrer Kunden. Sie entwickelten dabei den neuen Crafter anhand ihres konkreten Nutzungsprofils. Heraus kam nicht nur ein völlig neues – und wie wir finden, sehr ansehnliches – Design, sondern auch mehr Platz, eine enorme Flexibilität und eine unschlagbare Fahrdynamik.
Fahren wie im VW Bus
Statisch haben wir in den vergangenen Monaten HIER schon alles geschrieben, was man über die zweite Generation des VW Crafter mit seinen drei Längen und drei Höhen sowie mit seinen vielen verschiedenen Varianten wissen muss.
Dynamisch sieht die Sache aber viel spannender aus: gut, emotional ist ein Nutzfahrzeug eher selten. Jedoch gibt es einige Gründe, begeistert zu sein. Der Respekt vor einem fast sieben Meter langen Automobil der drei- bis vier-Tonnen-Klasse, in das man über ein Trittbrett auf den Fahrersitz klettert, wandelt sich bei einigen mit Sicherheit in Unbehagen – beim Gedanken, dieses Gefährt durch die engen Städte dieser Welt zu manövrieren.
Wir hatten in Andalusien zwar reichlich Platz auf den Straßen, doch spürte man schon beim ersten Anfahren, dass man beim VW Crafter II in keinem groben Nutzfahrzeug mit ratterndem Motor und schwacher Rundumsicht sitzt. Neben der sehr geschätzten Volkswagen-PKW-Qualität im Interieur gelingen Lenkbewegungen und Schaltvorgänge mit Leichtigkeit. Auch das Rangieren und Wenden auf den engen Hauptstraßen (ja, wir blieben seit einem Malheur mit dem weichen Sand am Rande des Asphalts immer zwischen den Begrenzungsstreifen) ist dank eines extrem kleinen Wendekreises – und einer optionalen Rückfahrkamera – ein Kinderspiel.
Aber richtig beeindruckt waren wir, als wir die Serpentinen des andalusischen Massivs hinaufgespurtet sind. Gut, sportlich ist kein Adjektiv, das ein Nutzfahrzeug beschreiben könnte oder sollte. Doch das Fahrwerk im Zusammenspiel mit der Lenkung und der mittleren Motorisierung (140 PS) ist ein absoluter Genuss. Denn: die Lenkung ist zwar indirekter als bei einem üblichen PKW, doch trotzdem so einfach und präzise zu steuern, dass das Kurven-Bezwingen zum Spaß wird. Alleine deswegen, weil man so eine Performance von solch einem Fahrzeug einfach nicht erwartet.
Ob das ein Nutzfahrzeug können muss, sei dahingestellt. Und: die gefahrenen Crafter waren auch stets nicht beladen. Wenn das Ladeabteil mit einer Tonne belastet ist, sieht die ganze Sache noch einmal anders aus.
Doch es steht fest: auch dynamisch ist die Idee, den Crafter an die Seite des VW Bus als größere Alternative zu stellen, ist aufgegangen. Denn er ist deutlich größer, fährt sich aber wie sein kleiner Bruder – bis man in den Rückspiegel schaut.
Robuster EA288 Nutz in drei Leistungsstufen
Ganz Deutschland kennt die interne Kennung des mittlerweile bekanntesten Aggregates in ganz Deutschland: EA288. Dem fügt Volkswagen Nutzfahrzeuge noch ein „Nutz“ hinzu. Ähnlich wie beim neuen VW Amarok kappten die Ingenieure die Leistungsspitzen, um ihn robuster und noch gleichmäßiger auszulegen.
Die drei Leistungsstufen belaufen sich auf 102, 140 und 177 PS. Unsere Testwagen waren immer mit der mittleren Stufe bestückt, die allemal – wohl gemerkt nicht beladen – mehr als ausgereicht hat. Doch wir können uns vorstellen, dass es mit der untersten Befeuerung etwas schwierig werden wird.
Die Verbräuche aller Motoren sollen übrigens im Durchschnitt um bis zu einen Liter niedriger sein, als die der Vorgänger-Crafter-Generation. Zudem sollen diese auch nachfahrbar sein; mit anderen Worten: keine Prüfstandswerte mehr, sondern reale „Straßenwerte“.
Wir konnten das leider im Zuge der kurzen zwei Tage nicht verlässlich ausprobieren, aber ein reduzierter Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,33, sparsamere Aggregate und intelligenter Leichtbau geben dieser Verbrauchsangabe den notwendigen Glaubwürdigkeitsrahmen.
Automatik oder Manuell?
Gekoppelt sind die Fronttriebler serienmäßig an ein Sechsgang-Schaltgetriebe. Die Führung ist exzellent, die Kupplung verzeiht so gut wie alles. Optional gibt es auch eine Achtgang-Wandlerautomatik, die zügig schaltet und in allen Situationen und Winkeln ruckelfrei anfährt. Beide Getriebe sind exzellent – öffentlich genutzte und auf der Baustelle eingesetzte Fahrzeuge werden wahrscheinlich meistens auf das manuelle Getriebe zurückgreifen.
Unzählige Sicherheits- und Komfortsysteme
Grundsätzlich gilt: es gibt alle Assistenzsysteme, die man kennt bzw. die der Volkswagen-Konzern in seinem Repertoire hat. In unserem Video sind wir darauf recht detailliert eingegangen. Deswegen sei hier nur ein neues, relativ unbekanntes System hervorgehoben: der Flankenschutz.
Befindet sich ein Hindernis an der Flanke des Fahrzeugs, wird dies beim Rangieren (bis 7 Km/h) im Display angezeigt und akustisch gemeldet (je nach Einstellung). Schlägt man nun das Lenkrad ein und setzt damit zur Richtungsänderung an, kommt das Hindernis in der Regel näher an die seitliche Karosserie, da das Heck bei einem so langen Fahrzeug ohne Hinterradlenkung immer eng zieht. Der Fankenschutz berechnet – ähnlich der Rückfahrkamera – den eingeschlagenen Weg und warnt so im Voraus, ob sich Karosserie und Hindernis überschneiden. Intelligentes System, das den ein oder anderen Karosserieschaden vermeiden könnte.
Preisliche Gestaltung sehr mutig
So viele Varianten, so ein aufwendiges Konzept und so eine hohe Qualität hat seinen Preis. Los geht es zwar bei knapp unter 30.000 Euro, doch die Aufpreisliste ist – Volkswagen-Konzern-typisch – lang. Für einen Top-Crafter mit vielen Assistenz- und Komfortsystemen kommt man so schon recht schnell auf 45.000 Euro.
Hätten wir doch Allradantrieb gehabt!
Die erste dynamische Fahrpräsentation beinhaltete nur die frontgetriebenen Modelle. Sie bieten im Laderaum den meisten Platz und die tiefste Ladekante. Doch mit der Allrad- oder gar Hecktriebler-Version wäre uns dies hier, rund zwei Meter neben der Straße, nicht passiert!