VW Arteon 2.0 TSI im ersten Fahrbericht: Luxus im Rahmen des Volkes
Nach gescheitertem Phaeton und Passat CC hieß es bei einer Vorstandssitzung nur: baut das Konzept – weitestgehend ohne Anpassungen und ohne Änderungen. Jetzt steht der VW Arteon da: mit dem selben Gesicht, mit den gleichen dreidimensionalen Scheinwerfern und der gleichen Seitenführung wie das Konzeptfahrzeug. Die Karosseriequalität ist atemberaubend, das Design edel und – ein Volkes Wagen ist er ebenfalls. Nur eben ein gehobener. Wir hatten den VW Arteon mit dem 280 PS starken 2.0 Liter TSI-Motor im ersten Fahrbericht.
Warum das VW-Oberklasseprojekt diesmal erfolgreich sein wird
Ja, der Phaeton ist gefloppt. Die optische Nähe zum Passat sowie die Divergenz der Markenidentität von Volkswagen und einer Audi A8-nahen Oberklasse-Limousine verwehrten ihm den Weg zum Erfolg. Rein technisch betrachtet war der Phaeton beeindruckend; durch seine wirtschaftliche Erfolglosigkeit preislich ein Schnäppchen.
Nach dem ebenfalls mäßigen Erfolg des Passat CC soll jetzt alles anders werden. Nein: wird alles anders. Volkswagen läutet mit dem Arteon eine neue Design-Ära ein, die hauptsächlich am vollkommen neugestalteten Markengesicht zu identifizieren ist. Im Mittelpunkt steht ein neuer Chrom-Kühlergrill mit serienmäßigen und integrierten, dreidimensionalen LED-Scheinwerfern an den Flanken. Darunter befinden sich großzügig gezeichnete Lufteinlässe, die beim R-Line Paket mit schwarz lackierten Einfassungen versehen sind. Sie machen das Gesicht optisch breiter; physisch wurde es ebenfalls verbreitert.
Die im Vergleich zum Passat niedrigere Seitenlinie übernimmt der VW Arteon von den Sportback-Modellen der Ingolstädter. Doch schärfere Linien, eine weit in die Kotflügel hineinreichende Motorhaube – ähnlich des Porsche Macan – kurze Überhänge und den typischen Skoda-Türfalz sowie bis zu 20 Zoll große Felgen machen das Seitendesign einzigartig. Darüber hinaus ist die Qualität der Karosserie exzellent – zumindest die von den für Journalisten nachbearbeiteten Derivaten.
Damit sieht der Arteon nicht aus wie ein typischer Volkswagen. Man hat den Eindruck, Volkswagen lege seine nahe Vergangenheit damit ein Stück weit ab und blickt mit futuristischen Formen in die Zukunft. Das Heckdesign ist in seiner Grundform nach wie vor mit typischen VW-Elementen versehen, wurde aber deutlich schärfer und dynamischer gezeichnet.
Viel Raum dank längerem Radstand
Vom neuen Volkswagen Polo, der nächste Woche seine Premiere in Berlin feiern wird, bis zum Oberklasseprodukt VW Arteon basiert alles auf der MQB-Plattform. Gegenüber dem Passat wurde der Radstand um 5 Zentimeter auf 2.841 mm verlängert. So ist auch die Gesamtlänge auf 4.862 Millimeter gewachsen. Die Breite beträgt 1.871 Millimeter, die Höhe 1.427 Millimeter.
Sehr überraschender Effekt: steht man vor dem Heck des Arteon und öffnet die elektrische Heckklappe, wundert man sich plötzlich über das Raumangebot, das sich vor einem präsentiert. Ganze 563 Liter gehen in das Heckabteil. Das ist zwar etwas weniger, als beim Passat, ist jedoch der flach abfallenden Heckklappe geschuldet. Klappt man aber die Rückbank um, erschließt sich ein Volumen von 1.557 Litern. Übrigens: eine Kombiversion ist in Planung.
Überhaupt sind die Platzverhältnisse im Interieur großzügig. Business-Class eben. Vorne haben Passagiere eine Raumbreite von 1,5 Metern. Das ist zwar nicht auf Cadillac Escalade-Niveau, aber durchaus beachtlich und angenehm. Man hat ja nicht immer seine Freundin auf dem Beifahrersitz.
Bei Personen mit langen Beinen ist die Auspolsterung des Übergangs von Mitteltunnel zum Fußraum nicht optimal. So muss sich das Knie immer gegen den harten Mitteltunnel lehnen – das drückt auf Dauer. Andere Hersteller haben hier eine separate Aufpolsterung.
2.0 Liter TSI mit 280 PS spontan und mit GTI-Sound
Im individuellen Fahrmodus-Programm kann man neben der stufenlos einstellbaren Fahrwerksabstimmung und den Lenkwiderstand auch den Auspuffsound einstellen. Wählt man ihn sportlich, versucht sich der VW Arteon an der Klangkulisse des VW Golf GTI 7. Nicht ganz passend zur Philosophie der Limousine, aber man darf ja auch mal Spaß haben. Lediglich das “GTI-Ploppen” beim Hochschalten darf der Arteon nicht ausführen.
Der Motor ist im Ansprechverhalten – genau so wie in den anderen Derivaten, wie Golf GTI oder R – äußerst spontan. Die Schaltwechsel erfolgen sehr zügig und präzise. Neben dem 2.0 Liter Benziner mit 280 PS und 350 Nm Drehmoment gibt es noch einen Top-Diesel mit 240 PS und 500 Nm Drehmoment. Darunter einen weiteren Diesel mit 150 PS. Weitere Motoren – unter anderem der 1.5 Liter Evo aus dem neuen Golf und jeweils ein Diesel und ein Benziner mit 190 PS – werden in Kürze für den Arteon erhältlich sein.
Das Fahrwerk des VW Arteon arbeitet hörbar, bietet Komfort und Sport
Die Lenkung des VW Arteon ist so präzise, wie in einem Golf GTE. Das Gewicht von rund 1,8 Tonnen (Allrad) spürt man in Kurven durchaus, die Elektronik sowie das gut abgestimmte Fahrwerk bemühen sich aber um bestmögliche Kaschierung.
Eines ist jedoch herauszustellen: bei uns war es vollkommen still im Auto. Kein Radio, kein Auspuffsound, keine extern verursachten Außengeräusche. Wenn man über unruhige Straßen fährt, hört man das Fahrwerk überdurchschnittlich laut arbeiten. Das ist nicht störend, nur auffallend. In Fahrzeugen wie dem Audi A4, Porsche Panamera oder sogar Golf 7 ist uns dies nicht so stark aufgefallen. Der Komfort bleibt davon unangetastet und nach wie vor hoch – selbst wenn man die Fahrwerks-Charakteristik auf Sport stellt.
Intelligente Assistenz- und Sicherheitssysteme
Der VW Arteon erkennt an Stauenden die Charakteristik der nahenden Fahrzeuge. Sollte eines zu schnell sein und den Berechnungen des Arteon zu Folge nicht mehr rechtzeitig bremsen können, bereitet er sich auf einen Aufprall vor. Dabei werden die Fenster einen leichten Spalt geöffnet, damit der Druck der Airbags besser entweichen kann – oder sie werden geschlossen, falls sie offen stehen – die Rückenlehne wird in die optimale Position gebracht, das Schiebedach geschlossen, der Gurt gestrafft und viele weitere Eigenschaften mehr, die einen Auffahrunfall möglichst glimpflich ausgehen lassen. Ob er schon einmal vorsorglich die Leitung zur Rettungsstelle anwählt, wissen wir nicht.
Eine neue Technologie ist auch das vorausdenkende Kurvenlicht. Es leuchtet – auf Basis der GPS-Daten – die Kurve aus, bevor man überhaupt einlenkt. Darüber hinaus bietet der VW Arteon die beste Grundlage für die Aufrüstung hin zum autonomen Fahren. Auch wenn wir nicht glauben, dass dies in den nächsten zwanzig Jahren marktreif sein wird, fährt der Arteon schon jetzt autonom auf der Autobahn. Die Hände darf man trotzdem nicht vom Lenkrad nehmen. Tut man dies für mehr als 10 Sekunden, leitet das Fastback zwei leichte Bremsrucke ein und manövriert sich anschließend und bei ausbleibender Reaktion seitens des Fahrers auf den Seitenstreifen der Autobahn. Im Extremfall kann er dabei sogar mehrere Spuren selbstständig kreuzen. Weiterhin sind natürlich alle weiteren bekannten Assistenzsysteme bestellbar.
Fazit von AUTOmativ
Optischer Eindruck | +++++ |
Qualität Karosserie | +++++ |
Qualität im Interieur | +++++ |
Lenkung | ++++ |
Fahrwerk | +++ |
Motor | ++++ |
Raumangebot | +++++ |
Digitales Bedienkonzept | +++++ |
Innovation | ++++ |
Preis | +++ |
Gesamteindruck | ++++ |
+++++ = Maximum |
Optisch ist der neue VW Arteon eine Augenweide. Die Qualität am Exterieur sowie im Interieur überzeugt und bietet absolut höchste Standards. Die Lenkung könnte im Sportmodus etwas mehr Widerstand vertragen.
Das Fahrwerk ist ordentlich abgestimmt, bietet aber durchaus die Grundlage für eine Überarbeitung hinsichtlich seiner akustischen Präsenz. Die Charakteristik des 2.0 Liter TSI mit 280 PS ist genau so, wie man sich einen modernen, konventionellen Motor vorstellt. Hier fehlt uns aber die Innovationsfreudigkeit hinsichtlich eines Mild-Hybrid-Konzeptes. Die Technik ist im Konzern vorhanden, also warum nicht nutzen?
Insgesamt ist die Innovationsfreudigkeit stark begrenzt. Das enttäuscht. Nicht, dass wir jetzt auf die harte Öko-Schiene gehen wollen, aber zu einem ganz neu vorgestellten Massen-Fahrzeug gehört auch ein alternativer Antrieb – zumindest die Option auf einen alternativen Antrieb. Nicht einmal Erdgas wird angeboten. Vielleicht warten wir noch ein wenig. Immerhin soll der Phaeton ja wieder kommen – als rein elektrische Limousine analog Porsche Mission E.
Der Preis beginnt bei rund 40.000 Euro. Die Ausstattung ist jedoch karg, angefangen von mickrigen 17 Zoll Rädern bis hin zu fehlenden Assistenzsystemen. Die Aufpreispolitik im Volkswagen-Konzern ist in dieser Form auf Dauer nicht durchsetzbar. Asiatische und US-amerikanische Hersteller verfolgen schon lange die Philosophie der kleineren Aufpreislisten und des höheren Serienumfanges bei niedrigeren Gesamtpreisen.
Der CC war mit rund 500.000 Verkäufen eigentlich nicht erfolglos. Warum das ständig suggeriert wird, ist mir unklar.