„Du hast echt Talent“: Racepool99 am Spreewaldring, Traum vs. Erfahrungsbericht

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Wenn Sie jemand fragen würde, ob Sie mit einem Supersportwagen über den Spreewaldring fahren möchten? JA! Oder? Also haben wir unsere Kameras eingepackt und fuhren die rund 2 Stunden nach Berlin. In voller Vorfreude, denn ein Lamborghini Huracan stand bislang nicht auf unserer Testwagenliste. Wie immer: Vorfreude ist die schönste Freude. Und dabei blieb es bei unserem Besuch bei Racepool99 auf dem Spreewaldring auch. Ein herber Erfahrungsbericht, den Sie bitte ganz lesen sollten.

Ferrari-Porsche-Crash nach der Boxenausfahrt

Reifenquietschen, ein dumpfer Schlag – Kaltverformung Blech. 987 Boxster in Ferrari GTC 4 Lusso kurz nach der Boxenausfahrt. Mit einem Teilnehmer an Bord. Bitter, denn der Ferrari war extra für das Event von einem Ferrari Zentrum ausgeliehen. Schuld hatte wohl die Steuerung der Ampelanlage, die „Grün“ anzeigte. Trotzdem darf so etwas einfach nicht passieren – es hätte auch böse ausgehen können. Wobei: Genau das ist auch Motorsport. Wen es auf die Strecke zieht muss auch mit Schadensfällen rechnen.

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Schöne Automobile – so wie dieser AMG GT hier -, lockere Stimmung, aber enttäuschendes Feeling auf der Strecke

Da der Unfall glücklicherweise weit weg von Personenschäden war, saß ein älterer Herr im 2000er-Ferrari-Renn-Overall zusammen mit einem jüngeren am Karosserieverbund rechter vorderer Kotflügel und Tür, um die Funktionalität der Karosserieeinheit wiederherzustellen. Denn die Tür ging nicht mehr auf. Starker Einsatz – wie im echten Motorsport. Diese Parallele sollte aber auch für diesen Tag die einzige sein. Immerhin: Später sollten wir mit diesem Auto auch noch eine ganze Runde drehen dürfen. Aber natürlich unter strenger Beobachtung.

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Eines meiner absoluten Lieblingsautos. Aber es so zu bewegen wie ich es bei Racepool99 musste – dann lieber gar nicht.

Lamborghini Huracan im Wet-Mode

Strahlender Sonnenschein, 26 Grad Außentemperatur. Ich hatte mich einfach so gefreut, einen Lamborghini Huracan zu bewegen. Einige Sportwagen hatten wir ja schon in der Redaktion – ein Huracan war bislang nicht dabei. Wie ich dieses Auto einfach liebe!

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„Unsere Rennwagen – ihr Feeling!“ Gut, streng genommen sind es keine Rennwagen. Es sind straßenzugelassene (Super)Sportler, aber das ist schon okay. Doch auf dem Track wurde mir der Spaß einfach abgedreht.

Ich durfte für AUTOmativ schon unzählige Male die neuesten Autos auf Rennstrecken fahren, testen – im freien Fahren. Sei es die Formel 1-Rennstrecke in Jerez mit dem im Grenzbereich super zickigen Renault Mégane RS, die Runden mit dem Golf GTI TCR Rennwagen auf der Rennstrecke in Portimao, die mehrtägigen Präzisionstrainings mit Porsche und Skoda auf der Nürburgring Nordschleife und viele viele mehr.

Ich hatte es demnach nicht erwartet, aber offenbar ist es bei Racepool99 einfach so – und das akzeptiere ich auch, dass ein „Instruktor“ immer mitfahren muss. Ungewöhnlich für mich, vor allem weil dann das Anbringen von Innenraum-Kameras und ein richtig tiefes Moderieren und Ausprobieren des Autos einfach nicht oder nur eingeschränkt möglich ist.

Mein zugewiesener Instruktor war super nett, hielt auch die Kamera. Alles entspannt. Das Moderieren und den ursprünglichen Beitrag, den wir vorhatten, hatte ich ohnehin schon verworfen.

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610 PS, V10-Hochdrehzahlmotor. Zu gerne wäre ich ihn wirklich gefahren. Aber dazu kam es eben nicht. Oder nur bedingt.

Aber als mir mein Nebensitzer auch noch sagte, wir haben nur eine Runde (auf dieser mini-Spreewaldgurken-Rennstrecke, die aussieht, als wäre es eine Kartbahn) und mir die italienische Feuerkiste in den Wet-Mode UND in den Automatikmodus (zurück)schaltete, war’s aus bei mir; „Du brauchst nicht manuell zu schalten.“ Ich will selber entscheiden, in welcher Abstimmung ich mein Auto über die Rennstrecke bewege.

Ich fahre immer manuell. Ich weiß, wann ein Motor am Drehzahl-Limit ist. Ich SPÜRE das. Sonst würde ich nicht seit 10 Jahren Tag für Tag Autos testen. Dass man nicht alle Fahrsicherheitssysteme ausschaltet – okay. Aber bei Sonnenschein und Sommertemperaturen in den Wet-Mode?! Immerhin hätte ich für dieses „Erlebnis“ als normaler Kunde von Racepool99 knapp 500 Euro hingelegt. Allerdings aber auch für 6 Runden. Trotzdem völlig übertrieben.

Wir kennen den Wet-Mode des Porsche 911 (992). Mehrfach ausprobiert, auch im neuen 992 Turbo Cabriolet (übrigens auch Hockenheim Rennstrecke und Überland). Unter anderem werden die Schaltzeiten, der Lenkwiderstand, die Gaspedalkennlinie, die radselektiven Drehmomente und viele mehr angepasst. Und natürlich heruntergeregelt. Dazu passt auch die Ansage zur Wahl in den Automatik-Modus, um bloß keine zu hohen Drehzahlen für einen vermeintlich zu hohen Verschleiß der Autos zu haben. Aber dass es sich hier um Hochdrehzahlmotoren von Lamborghini handelt, die genau dafür entwickelt wurden? Wäre zu müßig gewesen, das zu diskutieren. Auch die Aussagen im Briefing am Morgen, dass „der Motor in Kombination mit einem Doppelkupplungsgetriebe beim ‚unvorsichtigen‘ (?!) Herunterschalten überdrehen kann“ oder dass „das Schlüsselloch bei Porsche Fahrzeugen links ist, weil man früher so schneller den Motor starten konnte“ (?!) zeigten, dass Team Racepool99 nicht so wirklich im Thema waren.

Schließlich bin ich immerhin doch manuell gefahren. Den Fahrmodus zumindest in „Sport“ durfte ich aber nicht wechseln.

Und ja, ich brauche eine kurze Eingewöhnungsphase auf einer völlig unbekannten Strecke, einem völlig unbekannten Auto – und mit einer fremden Person neben mir sitzend. Nach einer vollen Runde kann sich so etwas nicht entwickeln. Und deswegen wandelte sich meine anfängliche Vorfreude in absoluten Frust – noch während ich wieder in die Boxeneinfahrt zurückkehrte. Ich weiß schon: Jeder Kilometer mit einem Auto kostet Geld, jeder Gaspedalbefehl Kraftstoff – also auch Geld. Aber für diese enormen Geldsummen kann man auch mal bisschen was erwarten.

„Du hast echt Talent, das sehe ich“

Ich wollte nach der Runde ohnehin direkt wieder nach Hause fahren. Aber wir hatten noch eine Sache offen: Ferrari GTC 4 Lusso fahren. Und weil es der einzige Viersitzer war, konnten wir – theoretisch – von hinten filmen. Taten es aber nicht, weil es ohnehin sinnlos war. Ich bin auch nicht gefahren, sondern saß hinten. Einerseits heftiger Fehler, weil ich ein ganz mieser Beifahrer bin und schon das ein oder andere Leder-Interieur nur knapp mit halb-Verdautem verfehlte – andererseits aber Zeuge der unglaublichsten Autofahrt meines Lebens wurde.

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Spiegel auf den „Instruktor“ eingestellt (der auch die Aufsicht hatte, als der Unfall passierte), Seitenfenster offen, dauernd seine Hände im Lenkrad, auf dem rechten Oberschenkel und an den Fahrdynamik-Knöpfen. Das macht Freude. Ein Glück sind wir nicht mehr 16.

Gleiches Spiel im Ferrari also: Wet-Mode, Automatikmodus, usw. Noch krasser: Der ältere Herr im 2000er-Ferrari-Rennoverall stellte auch noch die Außen- und Innenspiegel auf sich ein. Wissen Sie, was das für ein bescheuertes Gefühl ist, in einem Auto zu sitzen und nach hinten nichts zu sehen? Und jemanden neben sich zu haben, der dauernd ins Lenkrad greift und an den Fahrdynamik-Reglern rumspielt? Noch mehr: Ihnen dazu noch auf den Oberschenkel fasst und dabei sagt: „Junge, Du hast echt Talent. Das sehe ich. Ich habe schon viele gesehen, aber Du machst das echt gut.“?

Das „Witzige“ daran: So grottenschlecht habe ich meinen Kollegen noch nie fahren sehen. Bedingt durch die permanenten Einschränkungen seitens des „Instruktors“ und seine lautstarken Fahrbefehle „LINKS!“, RECHTS!“, GAS WEG!“, BREMSEN!“, …“. Mir war schlecht mittlerweile. Und es zog wie Hechtsuppe, denn das rechte Seitenfenster war ja offen. Macht Sinn auf einer Rennstrecke – mit permanent offenem Seitenfenster zu fahren. NICHT. Total sicher, da brauche ich dann auch keinen Helm mehr.

Naja. Ernüchternd wäre jetzt der falsche Begriff. Ich wollte einfach nur noch nach Hause.

Einen Gutschein kaufen von Racepool99?

Wer in diesen Tagen noch einen Gutschein zum Verschenken für seine Liebsten braucht: Wir im Kreise der AUTOmativ-Redaktion hatten einfach ganz andere Erwartungen. Die wurden leider nicht erfüllt: Im Wet-Modus und mit Seitenfenster offen und Spiegeln eingestellt auf den Instruktor (der immer mit fahren muss), teilweise verwirrenden Aussagen im Briefing, dass der Motor überdrehen kann wenn man bei der Automatik (also dem Doppelkupplungsgetriebe oder dem Wandler) zu schnell zu viele Gänge zurückschaltet und nur 2 Runden (eine volle) auf der kurzen – uns völlig unbekannten – Strecke zu haben, um ein Auto kennenzulernen sowie noch ein paar weiteren Dingen: Das stimmte uns nicht zufrieden.

Wer allerdings einmal einfach in den Kontakt mit solchen Autos kommen möchte kann das gerne tun. Da gibt es aber auch günstigere Alternativen.

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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