Alfa Romeo Giulia Veloce 2.2 Diesel im Fahrbericht: Selbstbewusste Signorina

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Schönheit ist zwar nicht alles, kann jedoch Türen öffnen. Die der Alfa Romeo Giulia Veloce öffnet man deswegen auch gerne – schließlich ist unsereins neugierig, welch Temperament sich hinter diesem bezaubernd-offensivem Gesicht verbirgt. Fest steht: der 2.2 Liter kleine Selbstzünder hemmt die gewohnt zügellos entfachenden Emotionen eines Alfa Romeo schon, hält die schnelle Giulia aber trotzdem nicht davon ab, die Autobahnauffahrt leichtfüßig und zugleich hochpräzise zu passieren. Wir hatten die Hoffnungsträgerin der Alfisti über 2.000 Kilometer als 210 PS starke Dieselversion im Test. 

Gehobenes italienisches Niveau

Breitschultrig und leicht skeptisch schaut die Giulia Veloce mit serienmäßigen Xenon-Scheinwerfern in die Kamera. LED-Scheinwerfer sucht man auf der Optionsliste hingegen vergeblich. Gleichwohl funkeln die Augen und weisen den Insassen den Weg auch im Dunkeln auf beeindruckende Art und Weise.

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Alfa Romeo Giulia Veloce 2.2 Diesel
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Alfa Romeo Giulia Veloce 2.2 Diesel

Doch nicht nur das mehrfach ausgezeichnete – und gegenüber der Basis-Giulia leicht sportlichere – Gesicht teilt sie sich mit ihrem größeren Bruder Stelvio, sondern auch das Interieur. Es ist nicht nur aufgeräumt und stilvoll gestaltet, sondern bei der Veloce-Version auch mit viel Leder und hochwertigen Dekoren ausgestattet. Mit den serienmäßigen 18 Zoll großen Felgen im Speichendesign bekommt man den richtigen Eindruck des gehobenen italienischen Lebensstils vermittelt.

Zu direkte Berührungen möchte die Giulia Veloce unverständlicherweise vermeiden. So darf man ihr zentrales Nervensystem nicht direkt über den Bildschirm ansteuern, sondern wird an die Drehschalter in der Mittelkonsole verwiesen. Deren haptisches Erlebnis inklusive Gangwahlhebel ist in etwa vergleichbar mit der enttäuschenden Discounter-Unterwäsche, die im Rahmen der Leidenschaft völlig unerwartet unter dem roten Armani-Seidenkleid zum Vorschein kommt.

Es gibt zwei Veloce-Versionen

Die Alfa Romeo Giulia Veloce steht in zwei verschiedenen Versionen bereit: zur Wahl steht entweder ein 280 PS starker 2.0-Vierzylinder Benzinmotor für 47.800 Euro Grundpreis oder ein 210 PS starker Vierzylinder-Selbstzünder für 46.800 Euro mit 2,2 Liter Hubraum. Somit sortiert sich die Giulia Veloce zwischen der Basis-Giulia, Sport und Quadrifoglio Verde perfekt ein. 

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Kurvenräuber und Spurhaltekönigin

Unserer Giulia war der 2,2 Liter-Motor vergönnt. Sie vermittelte daher akustisch keinerlei Emotion. Umso schwieriger für sie, dieses Manko wieder wett zu machen. Doch für eine echte Italienerin ist ein etwas gröberes Herz kein Grund für weniger Ausstrahlung oder Passion.

Im Gegenteil: die erste Autobahnauffahrt nahm sie im dynamischen Fahrmodus nicht nur vollkommen leichtfüßig, sondern auch höchst präzise. Das überrascht im ersten Moment. Zwar herrscht die intelligente Augenweide über die perfekte Kraftverteilung aller vier Räder und kann daher natürlich deutlich größere Potentiale ausarbeiten, als ein heckgetriebenes Fahrzeug, jedoch erscheint die ausgewogene Balance im G-Kräfte-Karussell sowie der selbstbewusste und ruhige Umgang mit Kurven wie Magie. Die Giulia Veloce krallt sich förmlich mit allen Vieren in die wohlgeformte Auffahrt und erledigt ihren Auftrag ohne Zicken oder Beschwerden.

Lusso-Sitze bieten zu wenig Seitenhalt

Einzig der Widerstand der Lenkung ist uns ein wenig zu gering (wie bei ungefähr jedem neuen Auto, das wir bislang in der Redaktion hatten). Die edle Ausstattung mit beledertem Armaturenbrett brachte auch die Acht-Wege-Sitze mit sich. Für diejenigen, die mehr Seitenhalt wünschen, sind die serienmäßigen Leder-Sportsitze ein Muss. Doch auch auf die Gefahr hin, dass wir uns hiermit unbeliebt machen: auch die “komfortableren” Sitze müssen Seitenhalt bieten. Nicht nur weil sie teurer sind, sondern auch entgegen der Meinungen einiger, schließen gute, komfortable Sitze Seitenhalt nicht aus. Beides ist möglich – doch hier bei der Giulia Veloce nicht im Programm. Das nervt und verspannt beim Kurvenritt unnötig.

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Die Alfa Romeo Giulia Veloce macht überall eine stilvolle Figur – ob auf den Höhenstraßen Wiens oder vor dem Schloss Johannisburg in Aschaffenburg.

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Lebendige Alfa Romeo Giulia Veloce 2.2

Lethargie beim Beschleunigen zwischen 130 und 160 Km/h? Da kennen wir ganz andere Dieselaggregate. Fakt ist: in 6,8 Sekunden geht es für die rund 1,6 Tonnen von Null auf Hundert. Das ist trotz des um 70 Nm höheren Drehmomentes von 470 zwar nicht vergleichbar mit den 5,2 Sekunden der Benzinerversion, doch für eine der stilvollsten Vertreter-Limousinen durchaus in Ordnung. Darüber hinaus fühlt sich die Beschleunigung spritzig an – Zahlen sind hier eher zweitrangig.

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Geschaltet wird wahlweise nach den Befehlen der Giulia selbst oder über feststehende Schaltpaddles hinter dem Lenkrad in Ferrari-Manier. Schließlich liegen die Gene der high-Performance-Italiener nicht so weit weg – zumindest wenn man die Top-Version Quadrifoglio zur Beurteilung heranzieht.

Die acht Gänge sind relativ kurz übersetzt und werden beim manuellen Schalten unter Volllast im dynamic-Programm mit temperamentvollen Intermezzi präzise eingearbeitet. Schließlich steckt kein geringerer als Getriebespezialist ZF hinter der Schaltkulisse, der beispielsweise auch BMW-Modelle versorgt. 

Das Fahrwerk kommt auch auf renovierungsbedürftigen Straßen gut mit der Karosserie klar. Rückmeldung gibt es ausreichend – an die Bremsen muss man sich analog des Stelvio erst einmal gewöhnen. Eine neue gewichtsärmere Technik über das Kabel vermittelt ein etwas ungewohntes Bremsverhalten. 

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All die nötigen Komfort- und Assistenzsysteme an Bord

Die Alfa Romeo Giulia Veloce ist ein Fahrerauto. Allerdings verzichtet auch sie nicht auf einen vernünftigen Satz an Komfort- und Assistenzsystemen. Es gibt einen Spurüberwachungs- (nur warnend, nicht eingreifend) und Kollisionsassistenten. Auch ist ACC erhältlich sowie das Standard-Ensemble aus Sensoren und Kameras.

Fazit von AUTOmativ

 Optischer Eindruck  +++++
 Qualität Karosserie  ++++
 Qualität im Interieur  ++++
 Lenkung  ++++
 Fahrwerk  +++++
 Motor  ++++
 Raumangebot  ++++
 Digitales Bedienkonzept  +++
 Innovation  +++
 Preis  ++++
 Gesamteindruck  ++++
   +++++ = Maximum

Die Alfa Romeo Giulia Veloce 2.2 Diesel ist nicht nur eine Augenweide, sondern derzeitig auch eine der stilvollsten Limousinen auf dem Markt. Geringfügige Abzüge gibt es zwar bei den Bedienelementen in der Mittelkonsole und bei den aufpreispflichtigen Lusso-Sitzen, die nicht nur keinen Seitenhalt geben, sondern auch den Rücken nicht optimal stützen. Die Stärken überwiegen aber deutlich, selbst bei der Version mit Dieselmotor.

Sie schreitet zügig voran – Trägheit spürt man erst ab rund 210 Km/h. Bei 235 Km/h Höchstgeschwindigkeit ist Schluss. Dass dies nicht an der Kraft des Motors liegt, sondern an der kurzen Getriebeübersetzung, macht die Benziner-Veloce klar. Bei ihr ist bei 240 Km/h Schluss. Auch der Verbrauch ist gut: mit etwas über sechs Litern Gesamtverbrauch ist die Giulia ein verhältnismäßig genügsames Mädchen.

Beeindruckend allerdings ist die Abstimmung in engen Spitzkehren, Kurven und auf schlechten Fahrbahnoberflächen. Hier liefert die Giulia Veloce eine phänomenale Performance ab.

Zusammengefasst: null Langeweile, hohe Emotionalität, herausragende Fahrperformance und eine bildschöne Gesamtkomposition zu einem erträglichen Preis.

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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