Erste Fahrt im neuen VW Golf GTE: Hybrider Schwergewichtssportler mit Pfiff
Pfiffig aufzutreten und gleichzeitig Schwergewicht zu sein ist nicht unbedingt ein Widerspruch. Die Weather Girls haben schließlich beides in ihren besten Ausprägungen. Und doch unternimmt die neue Generation Golf Hybrid alias GTE alle Anstrengungen, ihr Gewicht zu kaschieren. Trotzdem: wer auf den Benziner als Versicherung für Reichweite und Kraft Überzeugung nicht verzichten möchte und in seinem Pendlerdasein auch mal gerne das Gaspedal beansprucht, aber nicht gleich zum GTI Performance-Renner greifen will, liegt mit dem neuen VW Golf GTE nicht verkehrt. 50 Kilometer rein elektrische Reichweite sollen damit auch möglich sein. Erster Test des sportlichen, aber naturgemäß schweren Hybriden.
Gas geben mit gutem Gewissen
So ganz rein elektrisch zu fahren ist bei vielen immer noch nicht so angesagt. Obwohl das mit dem neuen e-Golf mit 300 Kilometern Reichweite immer tauglicher wird. Ein Hybrid schafft hier meist einen Kompromiss – noch, für die „Übergangszeit“.
Galerie: VW Golf GTE 2017 im ersten Test
Mit der neuen Generation VW Golf GTE bringen die Wolfsburger nicht nur eine marginale, aber zugleich stimmige optische Anpassung auf die Märkte, sondern auch mehr Digitalisierung und Leistung. Das soll den Gasfuß-liebenden Jutebeutel-Öko mit Reichweiten-Sorgen auf den Plan rufen und ihn mit dem Leit-Slogan „Ballern ohne schlechtes Gewissen“ ködern.
Nun, funktioniert vielleicht sogar. Schließlich trägt der Hybrid-Golf das GT-Kürzel sowohl den E-Zusatz vorne auf seinem Kühlergrill. Ersteres ist angesichts der Leistungsdaten auf dem Papier schon einmal seiner Positionierung würdig. 204 PS und 350 Nm Drehmoment sind kaum weniger als der normale Golf GTI zur Verfügung hat (230 PS). Der GTI ist beim Sprint von 0 auf 100 Km/h trotzdem über eine Sekunde schneller. Dem um 200 Kilogramm niedrigeren Fahrzeug-Leergewicht sei dank. Später dazu mehr.
1,6 Liter kombinierter Normverbrauch nach NEFZ-Messung könnte dem Öko auch gefallen. Dass dieser Wert tatsächlich nur rein mathematisch existiert ist so ernüchternd wie selbstverständlich. Wen es interessiert: das Rechenmodell dahinter haben wir hier erklärt und durchgerechnet.
„Prädiktive Hybridstrategie“ dank High-End Digitalisierung
Die sogenannte prädiktive Hybridstrategie findet im normalen Hybridmodus (also ohne gedrückte Fahrmodi-Knöpfe) Anwendung. Sie greift auf GPS- und Kartendaten der beiden großen Multimediasysteme zurück – ist also immer dabei, wenn man sich ab Ende Sommer für einen VW Golf GTE mit Discover Pro Navigationssystem entscheidet.
Die Effizienz soll dadurch auf ein Maximum gesteigert werden. Gibt man ein Fahrtziel ein, so berechnet die Software den idealen Einsatz von E-Maschine und Benzinmotor, um am Ende auf den bestmöglichen Verbrauch zu kommen. Die Batterie ist dann am Zielort idealerweise leer.
Wenn man kein konkretes Ziel eingibt, funktioniert das System genau so – nur dass es die Batteriekapazität nicht auf Null zurückfährt. Ein Beispiel: Laut Volkswagen wird auf Landstraßen bei 100 Km/h tendenziell eher der TSI-Motor verwendet. Nähert sich der Golf GTE einer Ortschaft, erkennt das System die Streckensituation. Es schaltet den Benzinmotor frühzeitig ab und gleitet so nur mit dem Elektromotor am Ortsschild vorbei. Ziemlich raffiniert.
Sein relativ hohes Gewicht macht ihn langsamer als erwartet
Aber was ist denn jetzt mit der Sportlichkeit? 204 PS und 350 Nm Drehmoment klingen auf den ersten Blick nach großzügiger Leistungsausstattung. 7,6 Sekunden Beschleunigung von 0 auf 100 Km/h eher nach Omas rostigem Schlitten. Dabei hat der VW Golf GTE nur 20 Nm Drehmoment und 40 PS weniger als der Golf GTI Performance.
Sein Problem? Übergewicht. Ganze 200 Kilogramm wiegt er mehr als der Golf GTI und kommt somit auf 1.615 Kilogramm. Die elektrische Zukunft hat wohl ihren Preis.
VW Golf GTE agiler als erwartet
Das Gewicht spürt man beim Beschleunigen deutlich. Doch in Kurven haben die Fahrwerks-Ingenieure von Volkswagen ganze Arbeit geleistet. Zwar ist es nicht so ausgewogen und sportlich wie bei der GTI-Version, jedoch hält er sich erstaunlich agil.
Das Fahrwerk kaschiert die Massen extrem gut und lässt die Vorderreifen kaum zu Wort kommen. Das Lenkgefühl ist nicht ganz so präzise und widerstands-ausgewogen wie beim GTI Performance – auch fehlt etwas Leichtigkeit – aber für einen Hybridwagen durchaus beeindruckend.
Man kann eben nicht alles haben – zumindest selten. Mit dem tatsächlichen Verbrauch hat sich Matthias von Ubi-Testet intensiver auseinandergesetzt.
Mittleres Infotainmentsystem Serie
Der 8,0 Zoll Bildschirm des mittleren Multimediasystems „Composition Media“ ist beim VW Golf GTE serienmäßig an Bord. Das Active Info Display bleibt jedoch optional. Wie sich die Systeme unserer Hinsicht nach schlagen, ist in folgendem Videobeitrag festgehalten:
Fazit von AUTOmativ
Optischer Eindruck | ++++ |
Qualität Karosserie | +++++ |
Qualität im Interieur | +++++ |
Lenkung | ++++ |
Fahrwerk | ++++ |
Motor | ++++ |
Raumangebot | ++++ |
Digitales Bedienkonzept | ++++ |
Innovation | ++++ |
Preis | +++ |
Gesamteindruck | ++++ |
+++++ = Maximum |
Der VW Golf GTE überzeugt mit einem durchaus interessanten Kompromiss aus sportlichen Auftritt und einem herausragenden Effizienzkonzept. Sein System ist innovativ – fast volle Punktzahl bei Motor und Innovation erhält er aufgrund seiner makellosen Abstimmung beider Komponenten sowie seiner sportlichen Note. Abzüge gibt es bei Gewicht und dem Preis. Dieser ist mit 36.900 kein Schnäppchen.
Hallo Herr Schneider, vielen Dank für Ihre Anmerkungen und Ergänzungen! Die Information, die wir verbessern konnten (schriftlich) haben wir soeben angepasst. Bei vier Fahrzeugen an anderthalb Tagen kann es tatsächlich passieren, dass man etwas nicht präzise ausarbeitet. Das soll keine Entschuldigung sein, sondern soll nur die Umstände erklären. Wir versuchen uns von Tag zu Tag zu verbessern!
Hallo Benjamin, schade! Eure an sich guten Berichte (Text und Video) über den neuen Golf 7 GTE enthält leider drei Behauptungen, die schlichtweg falsch sind:
1. Das Active Info Display ist beim Golf GTE nicht Serie, sondern Sonderausstattung (zumindest in Deutschland)
2. In Fahrstufe „B“ gehen die Bremslichter ab einer gewissen Verzögerung sehr wohl an (bei meiner Probefahrt jedes Mal, wenn ich vom Gas gegangen bin – bei Nacht kann man das im Rückspiegel sehr gut verfolgen)
3. wenn man mit dem GTE klassisch per Bremspedal bremst, wird zuerst ebenfalls rekupiert, d.h. elektrisch gebremst! D.h. die Energie geht nicht immer „verloren“ … erst wenn die per Bremspedal geforderte Verzögerung einen gewissen Grenzwert überschreitet, wird zusätzlich klassisch per Bremsscheibe gebremst.
Sei mir nicht böse, aber wenn man sich journalistisch betätigt, erwarte ich präzisere Recherche, und Behauptungen / Feststellungen sollten auch den Tatsachen entsprechen!