Fahrbericht BMW i3 (2014): Undefinierte Emotion

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Unserer Welt steht gerade ein unaufhaltbarer Wandel der individuellen Mobilität bevor. Zwar steht die Elektrifizierung von Fahrzeugen noch am Anfang, doch entwickelten sich Technologien noch nie so schnell wie heute. Wie so oft gibt es seitens der Hersteller grundverschiedene Konzepte, ein Elektrofahrzeug hinsichtlich technischer und vertriebspolitischer Gegebenheiten aufzubauen. Wir haben uns einmal den BMW i3 näher angeschaut.

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BMW i3 vor der Stuttgarter Innenstadt

Völlige Neukonstruktion

BMW entschied sich für eine vollkommen neue Konstruktion in futuristischem Design mit Wiedererkennungswert unter einer neu gegründeten Firma namens „BMW i“ und dem damit verbundenen Verkaufskonzept über sogenannte Agenten, die im Namen dieser GmbH seit ungefähr 4 Wochen Fahrzeuge verkaufen. Ob dieses Gesamtkonzept eine große Zukunft haben wird, kann momentan niemand einschätzen; doch das Gesamtprodukt ist mehr als interessant und könnte sich möglicherweise sogar zu einem der Maßstäbe der Zukunft entwickeln.

Galerie: BMW i3 (2014)

BMW i3 (2014)
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Dynamische Effizienz

177 PS, Portaltüren, die Fahrgastzelle aus Carbon, die Karosserie aus Kunststoff und große Teile des Interieurs aus gepresstem Malvengewächs: das klingt nach Professionalität im Automobilbau und hohen Produktionskosten. Dementsprechend hoch ist auch der Einstiegspreis: ohne Range Extender – also als reines Elektroauto – kostet der BMW i3 34.950 Euro in der Grundausführung.

Damit kommt man mit einer Ladung, die je nach häuslicher Stromtankstelle 3 bis 6 Stunden dauert, tatsächlich etwa 110 bis 160 Kilometer weit. An einer öffentlichen Ladesäule wartet man deutlich kürzer; je nach Ausführung dieser dauert hier eine Ladung (80-90%) knapp über eine Stunde.

Für die – laut BMW – Minderheit, denen diese Reichweite zu gering ist und die einfach auf einem gewissen Sicherheitspolster sitzen möchten, ist ein 2-Zylinder Range Extender optional bestellbar. Dieser kleine Motorrad-Benzinmotor kostet 4.500 Euro Aufpreis und verlängert die Reichweite des Fahrzeuges um etwa 100 Kilometer, indem er die Batterie während der Fahrt mit Hilfe eines Generators auflädt.

Der Tank hat ein Fassungsvermögen von 9 Litern – 9 Liter auf 100 Kilometer ist für ein Auto dieser Klasse absolut kein guter Wert, aber dass man beim Transformieren von Energie in andere Energieformen hohe Verluste hinnehmen muss, ist wirklich auch kein Geheimnis. Deswegen ist es besser, den Range Extender als eine Art Fallschirm zu betrachten – sollte man in einem abstürzenden Flugzeug sitzen und idealerweise keine schlüssige Alternative zum Sprung hinab haben.

Da aber dies nur in den unwahrscheinlichsten Fällen vorkommen mag, kann man auf den Fallschirm im täglichen Leben gut verzichten. Denn ein angeschlossener Motorrad-Zusatzmotor macht aus einem Elektrofahrzeug noch lange keinen intelligent denkenden Hybrid. Diese Lücke schließt erst der im Jahr 2014 kommende Sportwagen BMW i8.

Automobile Elektrifizierung in der Praxis

Das Fahren ist in etwa vergleichbar mit dem Fahren in einem modernen ICE, nur dass zu der Dimension Beschleunigen und Bremsen noch eine zweite Dimension dazukommt: Lenken. Die Kraft der Beschleunigung kommt spürbar aus dem Innersten des i3 und ist dauerhaft verfügbar – ohne Verzögerung und auch bei höheren Geschwindigkeiten. So ist das Fahren wie ein leichtfüßiges Gleiten über den Asphalt – ohne große Anstrengungen und überhaupt nicht zu vergleichen mit den modernsten Mittel- und Oberklassefahrzeugen, sondern einfach ungewohnter.

Vom Stillstand bis zum Erreichen von 100 Km/h zählt die Stoppuhr 7,2 Sekunden. Bei 150 Km/h ist der kleine BMW elektronisch abgeregelt, denn der Elektromotor würde bei den hohen Drehzahlen einfach viel zu viel Energie verbrauchen; noch muss das Fahrzeug penibel auf seinen Energiehaushalt achten. Wenn man den Fuß vom Gaspedal nimmt, bremst das Fahrzeug durch den großen Widerstand des relativ leistungsfähigen Motors schon ungewohnt ab.

Die Verzögerung – die durch den Elektromotor entsteht, der in dieser Phase als Generator fungiert und mit der Kraft von umgerechnet rund 70 PS Strom erzeugt – ist so stark, dass die Bremsleuchten von der Bordelektronik angesteuert werden. Bei geschickter Fahrweise durch häufiges Üben kann man diesen Effekt der „Motorbremse“ zum Vorteil der Reichweite (durch die Rekuperation der Batterie) und des geminderten Verschleißes der Bremsbeläge nutzen.

Denn beim reinen Bremsen wird – auf die bei diesem Manöver zurückgelegte Wegstrecke bezogen – weniger Energie rückgeführt, als wenn man den gleichen Weg nur mit Motorbremse zurücklegen würde, da die „richtige“ Bremsenergie an dem Bauteil der Scheibenbremse einfach in Wärme umgewandelt wird und rasch verschwindet.

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BMW i3 Portaltüren

Um das Abwägen um eine bestimmte Wegstrecke einfacher zu gestalten, ist in der Kartenansicht des Bordbildschirmes dauerhaft ein Kreis der aktuell maximal möglichen Reichweite um die aktuelle Fahrzeugposition eingezeichnet. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass der eigentliche Radius an vielen Stellen mal größer und mal kleiner ausfällt, denn das intelligente Programm dahinter rechnet fortwährend jede Strecke in alle Richtungen unter Berücksichtigung der Straßenart und Straßengeometrie aus.

So entsteht auf dem Display eine Art „Riesenwolke“, die einem Kreis sehr ähnlich ist und die sich – abhängig von der aktuellen Position – ständig verändert. Bei konkreter Zieleingabe, die knapp an oder über der Grenze der möglichen Reichweite liegt, rechnet der Bordcomputer auf dem Weg liegende Stromtankstellen ein und gibt die maximal möglichen Rahmenbedingungen der individuellen Fahrweise an (Höchstgeschwindigkeit, Heizung, Klimaanlage, …), die für die Zielerreichung zwingend notwendig sind.

Auch im Fond sitzt man gut. Zwar kann man die hinteren „Selbstmördertüren“ nicht selbstständig von innen öffnen, ohne dass die vorderen Türen schon geöffnet sind, doch durch die besondere Form der hinteren Seitenscheiben fühlt man sich in keinster Weise eingeengt. Allgemein sitzt man in diesem Auto mehr auf den Sitzen als in einem Auto.

Das ist beabsichtigt, denn zum einen entsteht dadurch ein Raumgefühl, das in etwa mit dem Wohlfühlfaktor eines modernen Salons vergleichbar ist und erleichtert zudem im Stadtverkehr die Übersicht über die anderen Verkehrsteilnehmer sowie das Ein- und Aussteigen. Die Individuen, die es lieben, eine Einheit zusammen mit dem Fahrzeug zu bilden, solange sie darin sitzen; es schätzen, dass dieses sie fest umschließt, während sie sich als Schwer- und Mittelpunkt des Automobils sehen, können sich auf den bald kommenden BMW i8 freuen.

Was bisher geschah

Weltweit habe BMW i – laut BMW-Chef Norbert Reithofer – schon über 12.000 Bestellungen des i3 erhalten. Wer jetzt einen Elektro-BMW bestellt, bekommt ihn frühestens im Mai nächsten Jahres ausgeliefert. Ungefähr 80 Prozent der Käufer bestellen das Fahrzeug aufgrund seiner eigentlichen Bestimmung und der damit verbundenen Gewichtssteigerung sowie des umgerechnet hohen Verbrauches des Zusatzmotors ohne Range Extender.

BMW i Agenten betreuen allen Vorurteilen zum Trotz und laut eigenen Aussagen auch Kunden, die das Fahrzeug nicht ausschließlich für die Städte nutzen, sondern primär und in regelmäßig kurzen Abständen für Langstrecken einsetzen, um damit zwischen zwei oder mehreren Städten zu pendeln – ebenfalls ohne Range Extender. Also offensichtlich ist auch dies möglich.

Wie komfortabel dies allerdings im Winter bei – verglichen zu sommerlichen Temperaturen – verminderter Reichweite durch richtig kalte Tage, der zwingend notwendigen Inbetriebnahme der Heizung und der folglich ausgleichenden Geschwindigkeitsreduktion zur Schonung der gespeicherten Energie auf der rechten Spur der Autobahn sein mag, ist im Bereich des Vorstellbaren. Aber das sind ehrlich gesagt auch Grenzfälle, für die der BMW i3 höchstens tertiär bestimmt ist.

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BMW i3 Interieur

Einst war es das ungeschickte Verhängnis der Anderen…

Der typische Käufer des BMW i3? Öko oder Rockstar? Der urbane Trendsetter und gleichzeitig der junge Chefredakteur des monatlich erscheinenden Lifestyle-Magazins; oder eher die umweltbewusst lebende 4-Köpfige Familie im Münchner Stadtteil Garching? Der Rechtsanwalt, Unternehmensberater, Sachverständige, Architekt oder der Abteilungsleiter bei den städtischen Kraftwerksbetrieben? Oder doch der Pensionär, der an der Côte d’Azur ein schickes, wendiges und unkompliziertes Elektromobil benötigt, um am Morgen auf den Markt zu fahren?

Interessanterweise alle und jeder. War es einst einer der Gründe für die fehlende Akzeptanz und den verhältnismäßig schlechten Absatz der „Elch-Test-A-Klasse“, dass dieses Auto aus marketingpolitischer Sicht von vornherein durch Mercedes-Benz für jede Zielgruppe – ob jung oder alt, modern, liberal oder konservativ – konzipiert und positioniert wurde, weil sich jeder und eigentlich niemand mit diesem Gefährt identifizieren konnte, scheint dies dem BMW i3 offensichtlich nicht zu schaden.

Der große Unterschied dabei ist nur, dass BMW i sehr wohl eine Segmentierung der Käuferschicht vorgenommen hatte und auch gezielt die jüngere Generation anspricht; alleine das offensive Marketing in sozialen Netzwerken zeigt dies. Doch mit der Folge der – vorerst erfreulicherweise – fehlenden Identifizierung klassischer und typischer Käufergruppen, hatte niemand so recht gerechnet und rechnen können.

Typisch, der i3?

Der i3 ist auf keinen Fall ein typisches Automobil. Das macht dieses Fahrzeug nicht uninteressanter – nur anders. Durch die großzügige Verglasung inklusive Dach mit integriertem Schiebedach, dem offenen Fußraum ohne Mitteltunnel und die Größe und Höhe des Armaturenbretts fühlt man sich mehr in einer Lobby eines Design-Hotels als in einem BMW. Nicht ohne Grund benennt BMW die verschiedenen optionalen Ausstattungsvarianten Atelier, Loft, Suite und Lodge.

Das öffentliche Interesse an diesem Fahrzeug ist enorm hoch. Noch nie spaltete ein Fahrzeug so viele Gemüter in so extremer Form wie der i3. Und das ist gut: Diskussionen stärken die Identifikation und regen zum Nachdenken an. Auf unbestimmte Zeit wird die Elektromobilität ein ganz selbstverständlicher Teil unserer individuellen Mobilität sein – als Ergänzung zu den bestehenden Etablierten.

Und ja, der BMW i3 weckt irgendwie tiefe Emotionen. Auch wenn der Name nicht übertrieben emotionsgeladen ist, vermittelt das Fahrzeug eine andere emotionale Bindung als die bisher zu Automobilen mit athletischen Formen festgestellte: die vollkommen neue Form und Designsprache im Interieur sowie im Exterieur – ohne die eigentliche Herkunft des i3 zu leugnen – und die sinnvolle Verbindung von Technik und Kommunikation beschreibt vielmehr die Faszination einer durch Ingenieure geschickt gestalteten Improvisation bestehender Teilkompositionen im Automobilbau des 21. Jahrhunderts.

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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