Fahrbericht Ford Mustang GT Cabrio (V8): Urgewaltiges Urgestein!
Weiße Sneaker, nicht geschnürt – die Senkel nur im Schuh versteckt. Mit Dornen-Schlangen-Gestrüpp tätowierte Muskel-Arme bis vor zu den Fingergelenken, verziert mit Miniatur-Totenköpfen. Die weiße Base-Cap mit Schild nach hinten, im Idealfall thematisch passend zur kurzen Jogger und dem weißen Trägerhemd – eine leichte Panzerkette in Gold flankiert den tiefen Ausschnitt. Auf dem Beifahrersitz weht das blonde Haar unter einer Stanford-Cap mit extrem gebogenem Sonnenschild hervor. Große, in Türkis eingefärbte Brillengläser verbergen ihre perfekt symmetrisch geformten Augen. Die Zunge des Staffordshire Terriers auf dem Rücksitz verteilt die Speichelfäden semi-kontrolliert in Abhängigkeit des Fahrtwindes auf dem schwarzen Leder, während die Traum-Komposition aus Sonne, V8-Gebrüll und unendlicher Gerade bis zum Horizont diesen Moment in unsere Köpfe einbrennt. Welches Auto fährt diese kleine US-Familie? Genau: Ford Mustang GT Cabriolet. Und ich möchte wissen, wie genau sich das anfühlt. Fahrbericht!
Mustang GT: Einer der letzten Saurier?
Ich bin mir durchaus bewusst, dass ein Mustang eigentlich nicht zu mir passt – und ich nicht zu oder in einen Mustang. Ist doch meine eben beschriebene Vorstellung einer Idealbesetzung weit weg von der optischen Ausgestaltung sowie geistigen Lebenseinstellung meiner Person. Und trotzdem macht es mich unglaublich an, jene Vorstellung nachzustellen.
Und auch ohne Terrier auf dem Rücksitz fühlt man die Grundwerte jener US-Amerikaner, deren Bedürfnisse, Träume und Erwartungen genau mit diesem Automobil seit 1964 befriedigt werden. Ist das etwa zu trivial und kleingeistig? Mag sein in so mancher Augen – Individuelle Mobilität ist es jedoch keinesfalls; Stil und Verwirklichung schon einmal gar nicht.
Man kann deswegen sagen: „Es ist doch nur ein Auto“, doch ein Mustang ist genau so wenig „nur ein Auto“ wie es ein Porsche 911, ein VW Käfer/Golf oder auch ein Bulli-Bus ist. Er ist Geschichte – er ist grenzenlose Passion.
Klar, mit Sicherheit muss auch er sich dem Wandel der Zeit beugen; bekommt er doch schon heute wahlweise einen 2,3 Liter EcoBoost Motor mit 290 PS eingepflanzt – für mehr Sparsamkeit und Konformität. Ohne diesen bislang gefahren zu sein muss ich zugeben, dass mein Herz beim Gedanken daran kaum höher schlägt. Nun: Mustang und V8 gehören eben zusammen wie Pech und Schwefel. Alles andere ist nur Halbgar. Mal sehen, wie lange das noch so sein darf.
V8-Gebrüll bis 7.400
Tiefgarage. Dach auf. Motor an. Ungläubig – und von den europäischen Abgasanlagen entwöhnt – grinsend. Das Szenario lebt beim gechillten Losrollen durch den architektonischen Bassverstärker. Easy geht es vorwärts, als säße man am Steuer eines Doppel-V8-Motorbootes und manövriert seine lange Kapsel aus dem Hafen. Die Sitze lassen mich eintauchen ins Cockpit, das Steuerrad reagiert wohlwollend mit Entspannung auf meine Richtungsbefehle. Und als wäre die optionale Zehn-Gang-Automatik seine pubertierende Schwester, die sich gerne mal spontan verzettelt, schwimme – äh – fahre ich Richtung Tiefgaragenauffahrt.
Ein Blick nach links auf die Vierspurige – frei! Los geht’s mit einem satten Drift (natürlich nicht absichtlich, ist einfach so passiert) Richtung Land. Den Ponys aus Fleisch und Blut einen Besuch abstatten.
Im Galopp fliegt der rote 1,8-Tonner über die schmalen deutschen Überlandstraßen – ungehalten brüllt er mit kratzigem Unterton den Drehzahl-Limits entgegen. Bei 7.000 Touren erreicht die Drehzahlparty ihre maximale Leistung, bei rund 7.400 ist die letzte Endstufe erreicht. Die Schwingungen treffen mein Herz, gehen durch meinen Magen und blitzschnell in’s Gehirn. Keine Chance mehr für rationales Handeln. Ich will mehr – ich will auf die nächste Gerade.
Fahrwerk macht sich einen Lärry
Für Qualm (siehe Video), V8-Gebrüll, gewaltige Leistungsentfaltung und grenzenlosen Beschleunigungsspaß ist der Mustang GT genau der richtige. Allerdings tut er sich mit Kurven etwas schwerer (wer hätte es gedacht). Zwar kommt man ausgesprochen – und überraschenderweise – flott durch jene Geradenbiegungen, jedoch muss man sich auch trauen, mit einem immer noch etwas labilen, optionalen MagneRide Fahrwerk, einer schläfrigen Lenkeinheit und einem leichten Heck (mit ausgeschalteter Traktionskontrolle) durch relativ enge Überlandkurven zu manövrieren. Man will ja nicht immer schräg, vor allem wenn der Acker so nah ist.
So gelingt’s am Ende zwar immer irgendwie, jedoch gibt es durchaus angenehmere Untersätze mit annähernd ähnlichem Spaßfaktor. Das muss offen gesagt sein. So war beispielsweise der fast-3-Tonner Cadillac Escalade bei unseren Tests ähnlich präzise – stellt aber ein komplett anderes Automobil dar.
Fazit Ford Mustang GT Cabrio (2019)
Der Ford Mustang GT ist – zusammen mit Camaro und Challenger – immer noch ein wahres Musclecar. Der V8 klingt – nicht nur an den Endrohren – wie im Bilderbuch und zieht die Luft ein wie ein Saurier. Dabei ist er genügsam: Bei normaler Fahrt, sprich 160 bis 180 Km/h auf der Autobahn, 110 auf der Landstraße, möchte er nicht mehr als 11,5 Liter. Das ist für 450 V8-Saug-PS sowie 529 Nm Drehmoment echt in Ordnung.
Die Verarbeitungsqualität im Interieur des schweren Ponys ist gut, wenn auch die Materialien an sich mehr dem Prinzip „Plastic is all fantastic“ beugen. Multimediale Meisterleistungen darf man ebenso wenig erwarten wie ein perfekt abgestimmtes Fahrwerk – selbst wenn es das optionale ist.
Der Mustang ist eben für’s Cruisen gebaut: Das blonde Haar auf dem Beifahrersitz – der Hund hinten.
Bewertung Ford Mustang GT Cabriolet (2019) | |
Optischer Eindruck | +++++ |
Qualität Karosserie | ++++ |
Lackqualität Karosserie | ++++ |
Qualität im Interieur | +++ |
Sitzkomfort Cockpit | +++++ |
Sitzkomfort Fonds / hintere Sitze | +++ |
Digitales Bedienkonzept | ++ |
Raumangebot (bezogen auf das Segment) | ++++ |
Innenraumgeräusch / Dämmung | ++++ |
Lenkung | +++ |
Spurtreue | ++++ |
Fahrwerk (MagneRide) | +++ |
Motor | +++++ |
Getriebeabstimmung | ++ |
Innovation | + |
Preis | +++++ |
Gesamteindruck | ++++ |
+++++ = Maximum |
Technische Daten auf einen Blick
Ford Mustang GT (V8) | |
---|---|
Motor-Architektur | 8-Zylinder V-Motor |
Einbaulage / Richtung | vorne / längs |
Hubraum / Verdichtung | 5038 cm³ / 12,0:1 |
Leistung | 331 kW / 450 PS bei 7000 U/min |
max. Drehmoment | 529 Nm bei 4600 U/min |
Nockenwellenantrieb | Kette |
Antriebsart | Hinterradantrieb |
Getriebe | 6-Gang Schaltgetriebe Serie, 10-Gang Wandlerautomatik Aufpreis |
Übersetzungen 6-Gang | I. 3,66 II. 2,43 III. 1,69 IV. 1,31 V. 1,00 VI. 0,65 R. 4,87 |
Achsantrieb | 3,55:1 |
Karosserie und Abmessungen | |
Typ | Coupé |
Türen / Sitzplätze | 2 / 4 |
Außenmaße | 4.789 x 1.916 x 1.381 mm |
Radstand | 2.720 mm |
Spurweite | 1.642 mm |
Wendekreis | 12,5 m |
Bodenfreiheit | 144 mm |
Ladekantenhöhe | 760 mm |
Hüftpunkt | 480 / 750 mm |
Lenkradumdrehungen | 2,75 |
Lenkraddurchmesser | 370 mm |
Kofferraumvolumen | 408 l |
Gewichte | |
Leergewicht | 1818 kg |
Gewichtsverteilung | 53,9 / 46,1 % |
Zulässiges Gesamtgewicht | 2087 kg |
Zuladung | 269 kg |
Fahrwerk, Bremsen und Räder | |
Radaufhängung | Einzelradaufhängung / Einzelradaufhängung |
Federung Basis | MacPherson-Federbeinen / Schraubenfedern, Stoßdämpfern |
Fahrwerk Testwagen | Serie / Serie |
Stabilisatoren | ja / ja |
Lenkerkonstruktion | Querlenkern / Querlenkern, Längslenkern |
Lenkübersetzung | 16,1:1 / – / – |
Bremsscheibenmaterial | Stahl / Stahl |
Reifenmarke / Typ | Michelin Pilot Sport 4S |
Reifen | 255/40 R 19 Y / 275/40 R 19 Y |
Beschleunigung | |
0-100 km/h | 4,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Tankvolumen / Reichweite | 61 l / 491 km |
NEFZ-Verbrauch | 16,6 / 8,8 / 12,4 l/100 km |
CO2-Ausstoß | 277 g/km |
Testwagen-Verbrauch | 11,5 l/100 km |
Kosten | |
Grundpreis | 47.000 € |
Testwagenpreis | 56.000 € |
Das nennt sich Convertible. Nicht Cabrio!
Ich komme gerade von einer Urlaubsreise im amerikanischen Südwesten zurück und hatte so ein Spielzeug als Mietwagen. Knapp 5000 Kilometer habe wir damit in zwei Wochen zurückgelegt und ich muss sagen, soviel Spaß hatte ich noch mit keinem fahrbaren Untersatz. Auch ohne direkt Blödsinn zu machen, einfach nur beim entspannten Dahinrollen, bringt der Mustang die Mundwinkel nach oben. Purer Anachronismus, keine Frage…, aber einmal im Leben sollte man mit einem barocken V8 über die Landstraße gerollt sein, solange es noch geht. Im wirklichen Leben fahre ich übrigens seit über zehn Jahren Prius… und ich stehe zu beiden Extremen.