Fahrbericht Jaguar I-Pace HSE (2018): Das erste wirklich schlüssige Elektroauto?

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Mit einem weißen Blatt Papier haben sie angefangen. Nur so könne ein reines Elektroauto entstehen, das keine Kompromisse kennt und keine Abstriche macht – sagen sie. Gut sieht er auf jeden Fall aus – wenn auch etwas ungewohnt. Vor allem an das Heck muss man sich gewöhnen. Aber so richtig SUV ist der neue Jaguar I-Pace eigentlich nicht. Eher ein leicht höher gesetztes Coupé. Egal – Kleinigkeiten. Ich bin das Auto zum ersten Mal gefahren und zum ersten Mal erscheint mir ein Elektroauto wirklich schlüssig und durchdacht – von A bis Y.

 

Tesla, Tesla an der Wand, wer hat das beste E-Auto im ganzen Land?

Tesla, Tesla, Tesla. Ich höre immer nur Tesla! Die US-Amerikaner haben in einem wirklich ein Talent: Marketing. Ich wage zu behaupten, dass nahezu jeder in unserer Gesellschaft mit dem Namen Tesla etwas anfangen kann. Und die meisten davon sehen diese Kisten als Heilsbringer und absolute Lösung aller Verkehrs- und Umweltprobleme. 

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Jaguar I-Pace (2018) Fahrbericht
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Das im Folgenden wird keinesfalls eine Elektroauto-Debatte, denn dafür ist dieses Mal Fabio zuständig. Nur kurz: Tesla ist enorm wichtig (gewesen). Ohne Tesla gäbe es nicht diese Diskussion um die Elektromobilität und den Beweis dafür, dass Elektroautos schnell, alltagstauglich und – relativ – gut aussehend sein können. Doch es ist auch klar, dass Tesla mit enormen Problemen zu kämpfen hat, die Autos tiefgreifende Qualitätsprobleme haben und Elon Musk immer noch nicht mit der Fertigung seiner Einstiegs-Modelle hinterher kommt. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man ein paar Zehntausend Autos fertigt – oder eben Millionen.

Und genau hier greift die Kompetenz der etablierten Hersteller: der Volkswagen- sowie der Toyota-Konzern arbeiten mit Hochdruck an reinen Elektroautos, die – im Falle von Volkswagen, Audi und Porsche – alle nächstes Jahr (2019) auf den Markt kommen sollen. Damit wird es eines der spannendsten Jahre in der internationalen Automobilgeschichte.

Aber immerhin – uns das muss man auch sagen – hat Tesla schon lange Autos auf dem Markt – ganz im Gegensatz zu Volkswagen, die sich noch der Studienphase befinden.

Der Jaguar I-Pace als schwerer Tesla-Gegner

Dem zuvor kommen ausgerechnet die Briten: Jaguar stellt mir den neuen I-Pace vor. Ein rein elektrisch angetriebenes SUV-Coupé mit 400 PS Leistung aus zwei Elektromotoren. Man erkennt, dass es sich um einen Jaguar handelt, auch wenn die typischen Proportionen über den Haufen geworfen wurden: so rückte die Fahrgastkabine extrem weit nach vorne – dadurch verschwindet die typisch lange Jaguar Fronthaube und man hat mehr Platz im Innenraum.

Gleichzeitig gibt es aber den typischen Kühlergrill, die schmalen Voll-LED-Scheinwerfer (serienmäßig) an der Front und die schmalen, vom F-Type gewohnten Rücklichter. Im Interieur fühlt man sich dem Jaguar Land Rover-Konzern zugehörig und muss sich nicht umstellen. Alles an Ort und Stelle – wie bei allen anderen Modellen auch.

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SUV oder Coupé? Man weiß es nicht so genau. Deswegen: SUV-Coupé!

Ansonsten ist alles anders. Positiv anders, wenn auch anfangs gewöhnungsbedürftig: ein steiles Heck mit viel Fläche. Viel Raum hat man im Interieur – die kurzen Überhänge und der Radstand von drei Metern machen es möglich. Das Panorama-Glasdach flutet die großzügigen Platzverhältnisse mit Photonen. Das Multimediasystem ist etwas entkompliziert worden, bleibt aber trotzdem nicht das aller einfachste.

Die Interieurqualität ist gut, wenn auch nicht ganz auf Audi-Niveau. Schließlich ist Audi mit dem nahenden e-tron in dieser Klasse der direkte Gegner. Selbstverständlich verbauen beide Unternehmen Kunststoffteile – bei Jaguar sind diese aber offensichtlicher als Plastik zu identifizieren. Die neuen Dreh-Drück-Schalter in der Mittelkonsole zur Einstellung der Klimaautomatik sind zwar eine funktionale Wonne, entpuppen sich jedoch als ein haptisches Desaster und erinnern an das iDrive-Duplikat im Alfa Romeo Stelvio.

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Dynamisches Gleiten – mehr will der Jaguar I-Pace nicht

Die Sitzposition ist exzellent – der Sitzkomfort ebenso. Man hat eine ausreichende Umsicht – klar ist aber auch, dass das Exterieurdesign viel Sicht schluckt. Mehr mit den Außenspiegeln zu arbeiten ist beim Jaguar I-Pace unverzichtbar. Ich spüre, dass das Auto für das dynamische Fahren gebaut wurde und in der Sitzposition und im Sitzgefühl Ähnlichkeiten zu einem Rundstreckenauto vorzufinden sind.

Dass es aber nur bei der Ähnlichkeit bei der Sitzposition bleibt und der Jaguar I-Pace ganz sicher nicht in Perfektion auf der Nürburgring Nordschleife abgestimmt wurde, merke ich, als ich das elektrische SUV-Coupé in einer Vierzig-Grad-Kurve in der Eifel fast in einen abschüssigen Acker geparkt hätte – Rallye-Sprung inklusive. Was sich später in engen Serpentiven herausstellt: der Jaguar I-Pace übersteuert stark. So rutscht die Elektro-Katze auf allen vieren einfach gerade aus anstatt einzulenken. Die Sicherheitssysteme sind so intelligent und so konfiguriert, dass sie in dieser Situation sofort alles herunterregeln und man in einer Spitzkehre förmlich stehen bleibt. Schade, so habe ich mir ein Performance-SUV-Coupé nicht vorgestellt.

Das ist aber nur die eine, extreme Seite, die nur ein geringer Teil von Ihnen jemals nutzen und wollen wird. Das Auto soll ja auch kein Rennwagen sein. Und eine Nordschleifen-Abstimmung braucht es auch nicht. Denn das Auto lebt im urbanen Sport-Stil – und genau da gehört es hin.

Wie sieht es mit der Reichweite aus?

Beim Losfahren stehen 430 Kilometer auf der Reichweiten-Uhr. Nach rund 50 Kilometer flottem Fahren sind es noch knapp 300. Das ist top, denn ich bin wirklich nicht effizient gefahren. Normal dynamisch gefahrene Kurven fährt der Jaguar I-Pace sauber, keine Frage. Die Lenkung ist direkt, das Fahrwerk straff. Rückmeldung gibt es genau so viel, wie man benötigt. Für die Offroadpfade oder Feldwege gibt es eine optionale Luftfederung, die das Auto noch einmal etwas anhebt.

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Kleines Detail zum Antriebsstrang: die beiden Elektromotoren sitzen weder ober- noch unterhalb der Achse, sondern genau inmitten. Soll heißen: die Antriebsachsen laufen direkt durch die von Jaguar selbst entwickelten E-Maschinen. So spart man sich schwere mechanische Komponenten.

Ach ja: der Jaguar I-Pace wiegt rund 2,3 Tonnen. Schon alleine deswegen müssen wir hier nicht durch enge Spitzkehren sausen. Das Auto ist cool – und endlich mal durchdacht und gleichzeitig qualitativ meist hochwertig. Bis auf ein paar kleine Malheurs. Aber ja, besser als ein Tesla, ganz gleich welcher.

Fazit zum neuen Jaguar I-Pace HSE (2018): Durchdacht von A bis Y

Der neue Jaguar I-Pace HSE ist mit rund 106.000 Euro teuer – keine Frage. Auch der Einstiegspreis von unter 80.000 Euro ist kein Schnäppchen. Aber: wo bekommt man schon ein konventionell angetriebenes SUV mit rund 400 PS für weniger finanziellen Einsatz? Eben. Im späten Sommer soll er die ersten Kunden erreichen, wobei laut dem englischen Portal electrek schon jetzt Lieferengpässe und starke Verzögerungen für Kunden bestehen.

Der neue I-Pace macht seine Sache gut – ob technisch, optisch oder architektonisch. Er sieht gut, wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig, aus, verfügt über großzügig dimensionierte Platzverhältnisse im Innenraum und ist technisch auf dem neuesten Stand. Seine angegebene Reichweite von rund 480 Kilometer sind – aus meiner Sicht – kaum realisierbar. Allerdings sind knapp 400 Kilometer – auch mit einem flotten Fahrstil – ohne Probleme möglich. Und das ist schon einmal eine Ansage, die sich sehen lassen kann.

Er fährt sich äußerst dynamisch und angenehm, allerdings ist er im kurvigen Grenzbereich überfordert und muss von den Sicherheitssystemen ordentlich eingebremst werden. Die Interieurqualität ist meist gut, die Multifunktions-Dreh-Drückschalter aus Plastik in der Mittelkonsole sind allerdings ein haptischer Fehltritt. Bei einem über 100.000 Euro-Auto darf man so etwas definitiv nicht anbieten.

Insgesamt ist der Jaguar I-Pace für mich ein von vorne bis hinten durchdachtes Elektroauto. Offensichtlich nicht ganz perfekt – es muss ja eben auch noch ein bisschen Raum für das Z gelassen werden.

 Bewertung Jaguar I-Pace HSE (2018)
 Optischer Eindruck  ++++
 Qualität Karosserie  ++++
 Lackqualität Karosserie  ++++
 Qualität im Interieur  +++
 Sitzkomfort Cockpit  ++++
 Sitzkomfort Fonds  +++
 Digitales Bedienkonzept  +++
 Raumangebot  ++++
 Innenraumgeräusch / Dämmung  +++++
 Lenkung  +++
 Spurtreue  ++++
 Fahrwerk  +++
 Motor  ++++
 Getriebeabstimmung  kein Getriebe
 Innovation  +++++
 Preis  +++
 Gesamteindruck Jaguar I-Pace HSE  ++++
   +++++ = Maximum

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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