Fahrbericht Renault Espace: Schweben wie im Raumschiff
Es soll nicht wenige Neukunden geben, die sich über die radikale Design-Änderung der fünften Generation Renault Espace tatsächlich bei Renault beschwert haben – in Form und Schrift. Neben der designtechnischen Entwicklung am Exterieur – wir finden sie übrigens sehr gelungen – gibt es einen neuen Innenraum und neue Multimedia-, Sicherheits- und Assistenzsysteme. Auch ist eine neue Allrad-Lenkung an Bord des Familien-/Business-Van mit Limousinen-Charakter. In der Grundausführung kostete unser Testwagen Initiale Paris mit 200 PS Turbobenziner 44.900 Euro.
Der Renault Espace ist mit 4.857 mm kürzer als ein Porsche Panamera
Auch wenn unser Testwagen – Renault Espace ENERY TCe 200 EDC in der höchsten Ausstattungsstufe „Initiale“ – im Stadtverkehr von Köln sehr lang anmutete: er ist immer noch kürzer als ein Porsche Panamera (knapp über 5 Meter), dessen GTS-Version wir letztes Jahr ebenfalls im Test hatten.
Doch der Renault Espace hat mit seinen niedrigen Seitenfenstern und der erhöhten Sitzposition eine deutlich bessere Umsicht und garantiert eine gute Übersichtlichkeit im Stadtverkehr. Übrigens: länger als der alte Grand Espace ist er nicht geworden – breiter (1.888 mm) ebenfalls nicht. Nur fehlen der Neuauflage 71 Millimeter in der Höhe (1.675 mm) gegenüber dem Vorgänger. Das macht ihn sportlicher und lässt ihn optisch satter auf der Straße stehen.
Nicht länger, aber gewachsenes Raumangebot
Der Radstand ist um 16 auf 2.884 Millimeter gewachsen. Das ist sicherlich nicht ausschlaggebend für die geräumigeren Platzverhältnisse im neuen Renault Espace, leistet dennoch auch einen Beitrag dazu.
Ein großzügiges Haus oder eine moderne Wohnung lebt von viel Licht – möglichst den ganzen Tag über. Mit viel Glas und großen Fensterfronten erreicht man so etwas. Renault greift dieses Prinzip auf und durchflutet den Innenraum mit Hilfe einer 2,8 Quadratmeter großen Frontscheibe, die in zweiteiliger Ausführung bis zu den Rückenlehnen der Vordersitze reicht. Bei zu viel Sonne sorgt ein Rollo für den nötigen Schatten.
In der Dunkelheit untermalt die in vielen Farben (Grün, Blau, Sepia, Rot, Violett) programmierbare – und je nach Fahrmodus einstellbare – Ambientebeleuchtung (Serie ab Ausstattungsvariante Intens) das nächtliche Vergnügen und Pulsieren der Stadt. Optional lässt sich auch ein Glas-Schiebe-Panoramadach bestellen, das – natürlich vor allem in der Nacht – neben dem Puls der Stadt auch den Sternenhimmel zeigt. Mit dem Espace in der Ausführung Initiale würden wir ab sofort ausnahmslos all unsere Fahrten auf die Nacht legen – ein Garant für entspanntes Reisen ist dieser auf jeden Fall.
Aber nicht nur mit gefühltem Raum kann der Renault Espace dienen: auch der Knieraum von 30,8 Zentimeter ist nicht übertrieben. Hinten ist also Business Class. Bei Beladung bis zur Fensterkante verfügt der Kofferraum über 680 Liter – wenn man die Rücksitze im Boden versenkt, entstehen 2.101 Liter.
Der Renault Espace schwebt wie ein Raumschiff
Leichtfüßig, leichtgängig und zügig unterwegs. Denn der 200 PS starke Turbo-Benziner in Kombination mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, einem adaptiven Fahrwerk und Allradlenkung zieht nicht nur deutlich mehr, als man von einem Familien-Van erwarten würde, er verfügt auch über ein sehr präzises Lenkverhalten und einer komfortablen Fahrwerkskonfiguration – ohne dabei die gewünschte Rückmeldung von der Straße zu kaschieren.
Auf der Autobahn pendelt sich nach einiger Zeit eine angenehme Reisegeschwindigkeit von rund 170 Km/h ein – obwohl deutlich mehr geht, doch die Windgeräusche nehmen ab hier exponentiell zu.
Die bei der Ausstattungslinie Intens optionale und bei der Ausführung Initiale serienmäßige Allradlenkung trägt – wie schon beim von uns gefahrenen Renault Mégane und Talisman – maßgeblich zur Stabilität und Direktheit bei Fahrten auf der Landstraße bei.
Neben dem vorerst einzigen Benziner stehen noch zwei Dieselaggregate mit 130 und 160 PS zur Verfügung.
Intergalaktisches Rauschen bei Kontaktaufnahme mit der Außenwelt
Wer über die Freispreicheinrichtung telefonieren möchte, muss das Triebwerk des Raumschiff Espace auf mindestens 120 Km/h drosseln, ansonsten unterbricht leider intergalaktisches Rauschen die Funkverbindung mit der Basis. Wir haben dies mehrmals ausprobiert und wurden bei jedem Telefongespräch von unserem Gesprächspartner gebeten, langsamer zu fahren. Und das trotz aufwendiger Lärmschutzverglasung. Doch die Windgeräusche kamen nicht vom Dach, sondern eher von den Seitenscheiben. Womöglich ein kleines Problem der Karosserie-Aerodynamik.
Und so ist es mit einiger Technik beim Renault Espace: alle wichtigen Assistenzsysteme sind zwar an Bord, doch die Qualität der meisten technischen Gimmicks ist nicht auf Volkswagen-Niveau. Klar, das rechtfertigt mitunter auch den Preis.
So funktioniert das Head-Up Display zum Beispiel wunderbar – die Anzeige wird aber nicht direkt in die Frontscheibe projiziert, sondern greift auf eine ausfahrbare Scheibe auf dem Armaturenbrett zurück. Und in den Einstellungen des Bordcomputer sind Schreibfehler.
Das alles zeigt – und ich verkneife mir bei aller Sympathie für Renault diese Aussage nicht – „typisch französisch“: bahnbrechende Ideen, Innovationen mit Witz und absolute Querdenker. Aber an der Ausführung und – vor allem – harten Ausarbeitung und Anpassung bis ins letzte Detail mangelt es.
Dies gilt nicht für Sicherheits- und Assistenzsysteme wie beispielsweise das Voll-LED-Licht. Nachts ist es ein Genuss mit den serienmäßigen LED-Scheinwerfern mit gut funktionierendem Fernlichtassistenten über die Autobahn zu fahren.
Und da ist noch die Massage-Funktion ..
Ja, man kann sich im Espace jetzt auch massieren lassen. Doch die verschiedenen Modi müssen von Renault noch einmal überarbeitet werden: ähnlich wie bei den technischen Features ist die Ausarbeitung bis ins Detail noch dürftig; so massieren die Luftpolster zwar den Rücken, so richtig professionell wirkt dies aber noch nicht.
SUV-Charakter haben wir nicht feststellen können
Liebe Renault Jungs und Mädels, ziemlich cooles Auto, was ihr hier auf die Beine gestellt habt. Nach einer kurzen Eingewöhungs-Phase kommt man mit dem neuen Renault Espace deutlich besser zurecht, als es die aktuellen Verkaufszahlen vermuten lassen.
Klar, es ist heutzutage cool, seine Autos „Crossover“ zu nennen. Alles schön durcheinander mischen und neue Segmente kreieren. Eine Kombination von Limousine und Van können wir nachvollziehen – aber SUV? Das fällt uns schon sehr schwer; scheinbar alles nur Auslegungssache.