Fahrbericht Renault Mégane R.S. (2018) Cup: Ungezähmt und unzensiert
Der stärkste Mégane ist zugleich auch der giftigste. Das war schon immer so – und das ist im Wesentlichen auch so geblieben. Eine sehr leichte Hinterachse vermittelt seinen ungezähmten Charakter, den ihm die Franzosen absichtlich nicht ausgetrieben haben. 280 PS packen die um 5,1 Zentimeter breitere Spur mit 390 Newtonmetern gewaltig an und brachten mich damit ganz schön ins Schwitzen. Fahrbericht der Straßen- sowie der Cup-Version des neuen Renault Mégane R.S.!
Ein leichtes Heck für ein aktives Fahrerlebnis
Ich erinnere mich als Kind immer an meine Slotcar-Bahn: meistens strebte ich natürlich nach den Autos mit starken Motoren und ebenso starken Magneten am Fahrzeugunterboden, sodass man auch in Kurven extreme Geschwindigkeiten realisieren konnte. Und so fegten die – meistens GT1-Fahrzeuge – mit atemberaubenden Geschwindigkeiten auch durch die Kurven. Cool, aber nach einer gewissen Zeit wurde es eher langweilig.
Denn wenn man richtig viel Spaß haben wollte, setzte man die Autos mit den schwachen Magneten und nur fast so starken Motoren auf die Spur. Die Unberechenbarkeit der Hinterachse war somit höher, denn wenn der schwächere Magnet einmal die Spur verließ, passierte es plötzlich. Nun lag es an einem selbst, den unkontrollierten Zustand im Zeitrahmen eines Wimpernschlags wieder in den Griff zu bekommen. Und nach einer Zeit der Eingewöhnung hat man genau dieses Verhalten provoziert.
Dieser Vergleich trifft exakt auf den neuen Renault Mégane R.S. zu: seine extrovertierte Breitbau-Karosserie provoziert und strebt nach einem unbändigen Geschwindigkeitsrausch. Seine Hinterachse ist so leicht, dass sie bei ausgeschalteten elektronischen Helfern im Race-Modus schneller kommt, als es das eigene Popometer voraussagt. Das gibt einem Nervenkitzel pur und macht einen in einer Welt der Restriktionen und Sicherheitssysteme sowie -abstimmungen zu einem echten Bezwinger der Monster-Maschinerie.
280 PS und 390 Nm Drehmoment im neuen Renault Mégane R.S.
Die vordere Spur wurde um 5,1, die hintere um 2,7 Zentimeter vergrößert, sodass breitere Räder und Reifen mit den Dimensionen 235/40 R 18 / 8,0 J x 18 montiert werden können und er dadurch deutlich stämmiger auf der Straße steht. Preise wurden zwar noch nicht bestätigt, dennoch gehe ich davon aus, dass der Renault Mégane R.S. um die 40.000 Euro kosten wird. Unter Berücksichtigung dessen, dass Motor und Getriebe von der Alpine A110 kommen, man dafür noch zwei Türen und deutlich mehr Alltagstauglichkeit bekommt, ein guter Deal. Auch wenn diese Schlussfolgerung – rein emotional betrachtet – natürlich argumentativ hakt.
Allerdings bekommt man mit dem neuen Renault Mégane R.S. mehr Leistung und Drehmoment zugesprochen: aus 1,8 Litern Hubraum und vier zwangsbeatmeten Zylindern hat der Motor zwar weniger Hubraum als sein Vorgänger, verfügt jedoch mit 280 PS und 390 Nm Drehmoment über mehr Leistung und Drehmoment als sein Vorgänger und als die Alpine A110. Später wird sogar – genau wie bei der Alpine auch – eine TROPHY Version mit 300 PS nachgereicht.
Das Interieur unterscheidet sich kaum vom Mégane GT. Anders ist das Lenkrad, das mit Alcantara und Mittenmarkierung deutlich griffiger in der Hand liegt. Dahinter liegen große Schaltpaddles, die sich gut anfühlen und flächig hinter dem Lenkradkranz auf Befehle waren. Jedoch verweilen sie statisch an der Lenksäule. Die ebenfalls in Alcantara ausgeführten Schalensitze mit roten Ziernähten umfassen meinen Körper exzellent und vermitteln mir Fast and Furious-Feeling.
Cup-Fahrwerk und mechanisches Differential nur mit Handschaltung
Bislang ist es nicht möglich, die eierlegende Wollmichsau zu ordern. Rundkursfanatiker, die auf eine automatisierte Schaltzeitoptimierung ausgerichtet sind, kommen derzeit noch nicht auf ihre Kosten. Denn das straffere Cup-Fahrwerk zusammen mit dem mechanischen Frontdifferential gibt es nur in Kombination mit einem manuellen Sechsgang-Schaltgetriebe. Das Doppelkupplungsgetriebe aus der Alpine A110 kommt derzeit mit dem zivilen Fahrwerk sowie nicht in Kombination mit dem Frontdifferential.
Bei Renault erklärte man uns, dass der Zulieferer ZF sein Doppelkupplungsgetriebe derzeit einfach nicht in Kombination mit dem Frontdifferential liefern kann. Das ist sehr schade und entbehrt sich jeglicher Logik, denn zum einen gibt es diese Kombination bei Volkswagen und zum anderen wäre genau das der ‚perfekte‘ – heißt: schnellste – Rennwagen.
Präzision durch Hinterachslenkung
Mit dem Start des Aggregates ertönt die Renault-eigene Abgasanlage. Sie macht deutlich mehr her als die Akrapovic-Anlage beim Golf R und vermittelt mit beim Losrollen pure Angriffslust. Schließlich habe ich nicht viel Zeit und bin über den Fahrerlebnisschalter bzw. R.S.-Schalter sofort in den Race-Modus gesprungen. Dadurch wird die Lenkung straffer, die Gaspedalkennlinie sensibler, das Fahrwerk härter – das übliche eben.
Auf den Hinterlandstraßen rund um Jerez lässt mich das Heck kaum Durchatmen. Mein Fuß hat sich mittlerweile mit den vier Kammern unter der Motorhaube verbündet – meine Hände betreiben mit ruhigen und minimalen Bewegungen nur Risikominimierung. Die Lenkpräzision ist so scharf wie ein Samurai-Schwert. Das Ungewohnte dabei: die Hinterachse lenkt im Race-Modus bis zu einer Geschwindigkeit von 100 Km/h entgegengesetzt ein. Im Sport- sowie Normalmodus liegt die Grenze zwischen gleich- und entgegengerichtet übrigens bei 60 Km/h. Dadurch zieht es die gesamte Karosserie bei minimalem Lenkeinschlag früher in die Kurve als erwartet. Das Gefühl gleicht ein bisschen einem Gabelstapler im Rangiermodus, nur dass ich mit 80 Km/h durch langgezogene Neunzig-Gradkurven pflüge und nicht einmal ansatzweise so viel Lenkaufwand betreiben muss, wie bei dem Gabelstapler.
Mir ist Himmel Angst und Bang. Doch die Sucht nach diesem fortwährenden Gebrüll und den knallenden Schaltwechseln in den mich umschließenden Schalensitzen ist deutlich größer. Ständig muss ich das Heck einfangen und bekomme jedes Mal einen kleinen Schock, als es ausbricht. Denn wenn es einmal anfängt – wir erinnern uns an die Geschichte mit der Slotcar-Bahn – dann ist es ausgebrochen. Durch ruhiges Gegenlenken fängt man diesen ungezähmten Teil der Breitbau-Flunder wieder ein.
Beim Aussteigen merke ich, wie mein rechter Fuß leicht zittert. Offensichtlich verfiel auch er in das Sucht-Angst-Verhältnis zwischen Gas und exzellent zupackender Bremse, die – zumindest auf der Landstraße keine Fading-Allüren aufweist.
Es wird brutaler: Renault Mégane R.S. Cup auf der Ex-Formel 1-Rennstrecke in Jerez
Zur Erinnerung: strammeres Fahrwerk, mechanische Vorderachsquersperre und Sechsgang-Handschaltgetriebe – das gibt es nur bei der Cup-Version. Die Beschleunigungszeiten von 0 auf 100 Km/h in 5,8 Sekunden stehen übrigens nicht in Abhängigkeit zu den Getriebevarianten – auch wenn mir das schwerfällt zu glauben. Nichtsdestotrotz werden wir es bald erfahren, wenn Renault mit dem Mégane R.S. (TROPHY?) im Sommer auf die Nordschleife geht und versucht, die Rundenrekorde der Hothatch-Varianten von VW und Honda zu schlagen.
Die Schaltwege könnten noch ein wenig kürzer sein – leichte Widerstände sind am Anfang der Gassen zu überwinden. Auf den ersten Metern muss man sich kurz an das Zusammenspiel von Kupplung und Schaltung gewöhnen, um Rennstrecken-adäquat und geschmeidig die Gänge einzulegen.
Der Rundkurs von Jerez ist spektakulär. Noch spektakulärer ist schon die zweite Kurvenkombination nach Start und Ziel: aus einer Rechtskurve geht es in eine langgezogene und falsche Links, die dazu noch eine Hundekurve ist – also enger wird und dabei gleichzeitig nach rechts abfällt. Ohne Vorahnung kann das böse enden – gerade mit einem Fahrzeug, das eine ausgeprägte Stärke für Hecktänzeleien aufweist. So nah war ich dem Kiesbett noch nie. Mehr sieht man im Video.
Auf der Rennstrecke merkt man einmal mehr, wie das gesamte Chassis arbeitet. Die Hinterachslenkung verhilft dem Gesamtfahrzeug zu deutlich mehr Schärfe und Präzision, da das Heck schon beim Einlenken seinen eigenen Radius abbildet und sich selbst elegant durch die Kurve zieht. Aber sie macht das Auto noch spitzer und in den letzten zehn Prozent deutlich anspruchsvoller zu beherrschen.
Fazit zum neuen Renault Mégane R.S.
Optischer Eindruck | +++++ |
Qualität Karosserie | ++++ |
Qualität im Interieur | +++ |
Lenkung | ++++ |
Fahrwerk | ++++ |
Motor | ++++ |
Raumangebot | +++ |
Digitales Bedienkonzept | ++ |
Innovation | ++ |
Preis | +++ |
Gesamteindruck | +++++ |
+++++ = Maximum |
Ein Golf GTI bleibt im Wesentlichen ein Golf: alle Kurven nehmen ihn irgendwie – und lassen ihn bis zum Kurvenausgang jegliche Knitterei ausbügeln. Der zwei-Buchstabenzusatz beim französischen Pendant hingegen kann in der Eingewöhnungsphase durchaus für spektakuläre Kiesbett-Annäherungen sorgen. Mit anderen Worten: der neue Renault Mégane R.S. – entschuldigen Sie diese Ausdrucksweise – ist das fahraktivste Luder, dass ich seit Langem mal wieder fahren durfte. Und obwohl die Einzelbewertungen in der obigen Tabelle keinen Gesamteindruck von fünf Sternen ergeben können, gebe ich diesem kleinen Monster trotzdem fünf Sterne im Gesamteindruck – entkoppelt von den jeweiligen Einzelkomponenten. Weil es einfach eine fantastische und unberechenbare Fahrmaschine ist. Punkt.