Kia EV9 GT-Line (2024) Fahrbericht: Elektrischer Allrad-Bigfoot mit 385 PS fährt effizient
Die meisten Autodesigner sind – ziemlich sicher – nicht gerade begeistert, wenn sie mit einem neuen dreireihigen SUV betraut werden. Es gibt eben nicht so viele Möglichkeiten, einen Schuhkarton zu designen. Zudem ist das Segment so umkämpft, dass Hersteller eher auf Nummer sicher gehen, als etwas völlig Neues zu machen. Nicht so bei Kia: Der koreanische Autohersteller traut sich, ein offensives und progressives SUV auf die Räder zu stellen – und überrascht damit. Der Kia EV9 ist als Speerspitze im Modellportfolio nicht nur Technologieträger für die kommenden EV-Modellgenerationen, sondern bringt auf seinen 5,01 Metern Länge jede Menge Komfort, Alltagstauglichkeit und clevere Details mit. Fahrbericht!
Ist das schon Luxus?
Der Kia EV9 basiert – wie nahezu alle elektrischen Hyundai- und Kia-Modelle auf der sogenannten „Electric Global Modular Platform“ (E-GMP) der Hyundai Motor Group. Mit einem Radstand von 3,10 Metern und einer Gesamtlänge von 5,01 Metern kann er – je nach Ausstattung – bis zu 2,7 Tonnen wiegen.
Die Proportionen mit den großen 21 Zoll Rädern (Serie GT-Line) stimmen: Die Räder sind zu den Ecken hin verschoben – das verleiht dem SUV eine dramatische Haltung. Die Scheinwerfer, die eine Reihe von punktförmigen LEDs mit einer Reihe von LED-Akzentlichtern kombinieren, wirken als wären sie vom Mond. Und die vertikal ausgerichteten, detailliert gestalteten Rückleuchten sehen aus, als kämen Sie direkt aus Star Wars.
Galerie: Kia EV9 GT-Line Kofferraum, Interieurdetails & Variabilität
Im Cockpit gibt es ein großes Display (Serie). Es beinhaltet die beiden großformatigen Bildschirme des digitalen Kombiinstruments und des Navigationssystems (jeweils 31,2 cm/12,3 Zoll) sowie dazwischen einen 13,5-cm-Touchscreen (5,3 Zoll) zur direkten Einstellung der Klimatisierungsfunktionen. Letzterer wird aber leider vom Lenkradkranz verdeckt - das erschwert die Bedienung der Klimatisierungsfunktionen.
Obwohl der Kia EV9 kein luxuriöses SUV ist – und auch nicht sein soll -, macht es durchaus den Anschein, als würde Kia einen kleinen Schritt in Richtung Luxus wagen. Das – teilweise aus recycelten Materialien hergestellte – Kunstleder ist weich und das Armaturenbrett hat eine qualitativ hochwertige Anmutung. Dazu kommen Details, wie beispielsweise die trampolinartigen Netz-Kopfstützen auf den Vordersitzen, die man sonst nur von BMW oder Mercedes kennt. Und es gibt jede Menge Bildschirme, darunter einen 12,3-Zoll-Infotainment-Bildschirm und ein digitales Kombiinstrument.
Das einzige wirkliche Ärgernis in der Bedienung ist die Platzierung des Klimabedienfeldes, das vom Lenkradkranz verdeckt wird. Und die Qualität der Ablageflächen in der Mittelkonsole ist tatsächlich noch verbesserungswürdig. Wenigstens ein bisschen Filz in den Ablagen hätte Kia sponsern können. Vielleicht kommt das bei der Modellpflege dann noch.
Als 7-Sitzer sowie als 6-Sitzer mit drehbaren Sesseln
Die Sitze der zweiten Reihe sind serienmäßig nicht nur beheizt und belüftet, sondern in der 6-Sitzer-Version mit den optionalen Relax-Sesseln auch elektrisch verstellbar und mit ausziehbaren Fußstützen ausgestattet. Die dritte Sitzreihe ist allerdings knapp bemessen – siehe unser Video oben.
Bestellen kann man den Kia EV9 entweder als 7-Sitzer mit einer Dreierbank in der dritten Sitzreihe oder als 6-Sitzer mit entweder nicht drehbaren Relax-Sesseln oder drehbaren „normalen“ Einzelsitzen.
Dickerle mit 2,7 Tonnen hat leichte Gewichtsprobleme
Der Kia EV9 kommt mit einem 99,6 kWh großen Lithium-Ionen-Akku. Kia verrät dabei nicht, welche Kapazität nutzbar ist. Wir vermuten, dass die Netto-Kapazität bei rund 94 kWh liegt. Die Koreaner behalten es sich vor mittels Software-Optimierung hier mehr nutzbare Kapazitäten zu schaffen. Allerdings frühestens ab 2025.
Für rund 450 Kilometer bei sparsamer Fahrweise im Alltag reicht das Akkupack dann auch. Allerdings schleppt man dieses Paket von 567 Kilogramm auch ständig mit sich rum. In seiner schwersten Ausstattungsvariante wiegt der EV9 auch rund 2,7 Tonnen. Bei einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 Tonnen und einer Stützlast von 125 Kilogramm – für beispielsweise drei E-Bikes – kommt man inklusive Beladung und Passagieren recht schnell an das zulässige Gesamtgewicht. Also noch größer, noch schwerer, noch mehr Batterie wäre beim EV9 auch nicht gegangen.
385 PS Leistung, 700 Nm Drehmoment – Allradantrieb
Der Zweimotoren-EV9 sprintet in nur 4,5 Sekunden auf 100 km/h. Das ist schnell. Die GT-Line hat 700 Nm Drehmoment, der „normale“ EV9 mit Allrad nur 600 Nm. Per Online-Shop sollen Kunden aber „upgraden“ können – das aber erst im Laufe des kommenden Jahres.
Richtig gut: An allen vier Rädern kommen 285 mm breite Reifen zum Einsatz. Dadurch sitzt er nicht nur optisch gut auf der Straße, er krallt sich auch mit ausreichend Auflagefläche in die Kurven. Das fördert die Kurvengeschwindigkeiten – falls man mit dem Großen auch mal etwas flotter durch die gebogenen Geraden fahren möchte. Und unser Test zeigt: Das geht. Nur um dabei wirklich Spaß zu haben braucht es ein strafferes Fahrwerk und eine präzisere Lenkung mit mehr Widerstand.
Fazit zum Kia EV9
Mehr Stärken als Schwächen hat der Kia EV9 – das steht fest. Leise und schnelle Kraftentfaltung sind für ein Familienfahrzeug sinnvoll, und der EV9 hat beides. Auch die Reichweite und die Effizienz sind mit einem durchschnittlichen Verbrauch bei uns in Frankreich von 21 kWh auf 100 Kilometer für dieses Gewicht und die Stirnfläche besser als erwartet. Seine dritte Reihe ist erwachsenenfreundlich sofern man die zweite Reihe etwas nach vorne schiebt, seine Heckklappe ist ladefreundlich, und die vorderen Reihen sind voll mit Funktionen, die das Fahren und Laden komfortabler machen.