Mit dem VW Golf GTD von Kapstadt nach Plettenberg Bay, Südafrika
Erst überrascht vom fehlenden Lenkrad, fällt mir dann – nahezu zeitgleich – ein, dass hier ja alles spiegelverkehrt fährt. Ungewohnt, von unserer Beifahrerseite plötzlich das Auto durch das Flughafenparkhaus zu steuern. Auf den ersten Metern über die Autobahn nach Kapstadt bleibt es komisch, doch ich adaptiere mich recht schnell an das britische Verkehrssystem. Sollte ich auch, denn vor mir liegen eine Woche Südafrika und rund 1.800 Kilometer mit dem rechtsgelenkten Golf GTD.
Erst an die Beach
Rechts und links Wellblechhütten so weit das Auge reicht. Das sind sie also, die oft erwähnten Townships auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt. Fernsehempfang scheint hier nicht das Problem zu sein, schließlich hat jede Hütte ihre eigene Satellitenschüssel. Immer mal wieder wechseln einzelne Personen die Straßenseite – und weil es kaum Brücken gibt und der Umweg über jene viel zu lang dauern würde, nehmen viele den direkten Weg über die Sechsspurige. Augen auf erscheint mir deswegen geeigneter, als Augen zu – ‚und durch’.
Ein wenig Müdigkeit verspüre ich nach den elf Stunden Flug, deswegen entscheide ich mich für einen ruhigen Nachmittag – vorzugsweise am Meer. Doch wie sich rasch herausstellt, beschert die stürmische See zwar den Wassersportlern große Freude, doch meine Waden werden beim Aussteigen erst einmal sandgestrahlt. Ganz zu schweigen vom kurz darauf folgenden Zähneknirschen.
Trotzdem sorgt die See auch für Heiterkeit bei mir, denn die Photonen in Kombination mit der salzhaltigen Luft und den vielen feinen Sandkörnern entwickeln ein diffuses und leuchtendes Nachmittagslicht, als sie auf meine Linse treffen.
Währenddessen treibt es den Sand weiter über den Boden – zwischen den großzügigen Achtzehn Zoll großen ‚Sevilla’-Rädern des Golf GTD hindurch. Auf Dauer ist das der Kosmetik des Karosseriekleides wohl kaum zuträglich, aber ebenfalls am Rand parkende und sogenannte ‚Citi-Golfs’ scheint diese Gegebenheit seit mehreren Jahren nicht zu stören.
Umgeben von Massiv
Die geographische Lage von Kapstadt ist beeindruckend: direkt am Meer gelegen, wird die zweitgrößte südafrikanische Stadt mit rund 3,8 Millionen Einwohnern von massivem Gestein umgeben. Die Hauptstadt der Provinz Westkap beherbergt seit 2004 zwar das südafrikanische Parlament, ist aber dadurch nicht zu Hauptstadt von Südafrika befördert worden. Dieser Titel obliegt der weit weniger bekannten Stadt Pretoria im Norden von Johannesburg.
Beim Betrachten des Tafelbergs am nächsten Morgen, der sich im Rücken der Stadt befindet, entscheide ich spontan genau die Straße zu finden, die dort hinauf- und entlang führt. Schließlich habe ich ein sportliches und potentes Auto an meiner Seite, das mit Sicherheit nichts gegen eine kurvige Bergstraße einzuwenden hat.
Auf meinem Weg führt es mich durch die Innenstadt – den ‚City Bowl District’. Breite drei- und vierspurige Straßen ebnen den Weg für schwere und leichte Mobilien – den Rand schmücken teils britisch-holländisch beeinflusste und teils lokale Bars und Restaurants im Kolonialstil.
Golf GTD als sportlichster Diesel
Der City Bowl District geht in Richtung der Zufahrtsstraße zum Tafelberg und Löwenkopf (Lion’s Head) in das Gardens-Viertel über. Die zentrale Straße des recht jungen und noch preiswerten Viertels verläuft bergaufwärts und präsentiert den Tafelberg auf dem Silbertablett.
Lang ist die Zufahrtsstraße nicht – auch die Bergstraße, die an der Talstation der Gondel entlangführt, endet rasch. So kommen Golf GTD und ich nur sehr bedingt auf unsere fahrdynamischen Kosten – und begnügen uns stattdessen mit einer sportlichen Kostprobe. Doch die Aussicht – gerade auf der gegenüberliegenden Straße, die zum Lion’s Head und dann weiter zum Signal Hill führt – ist spektakulär.
Ganz Kapstadt liegt mir dort zu Füßen – Großstadtklänge erreichen meine Ohren. Manchmal hört man für Sekundenbruchteile einzelne Stimmen heraus, oftmals aber nur das Grundrauschen des Verkehrs und der lebhaften Stadt. An dieser Stelle des Signal Hill ist es so beeindruckend, dass ich mich entschließe, den Lion’s Head hinauf zu wandern und die typischen Wolken am Nachmittag abzuwarten, die sich wie Trockeneis vor dem Tafelberg in die Tiefe stürzen.
Von Kapstadt über Heidelberg nach Plettenberg Bay
Früher war das rund sechs Stunden entfernte Plettenberg Bay das Urlaubs- oder Wochenendziel der wohlhabenden Bevölkerung von Kapstadt. Da es dort oftmals wärmer war und die Sonne mehr schien als heute, nahm man die Route durch das südafrikanische Hinterland gerne in den Kauf. Am nächsten Morgen befinde ich mich genau auf dieser Route – auch bekannt als ‚Garden Route’.
Karge Steppenlandschaften dominieren die Wegstrecke bis nach Heidelberg – von Grün ist meist nichts zu sehen. Die südafrikanische Stadt, dessen deutsches Pendant schon topographisch völlig anders ist, liegt direkt an der Hauptstraße und ist geprägt vom holländischen Einfluss.
Offiziell beginnt die Garden Route hier. Doch erst nach weiteren einhundert Kilometern wechselt die Landschaft von karg und staubig zu grün und einer Mischung aus mediterran und südthailändisch. Langsam formen sich Hügel am Ende des Horizonts, Meersalz liegt in der Luft und kleine Dörfer und Städte erscheinen entlang der Küste.
Mossel Bay und George lasse ich hinter mir, fahre durch Sedgefield und Knysna weiter durch grüne, immer spannender geformte und ebenso malerische Landschaften.
Bei meiner Ankunft in Plettenberg Bay ist es früher Abend. Die untergehende Sonne schenkt mir wieder ein in Violet gehaltenes Farbenspiel, das den Kontrast der sich am Horizont befindenden Hügellandschaft bemerkenswert herausarbeitet. Ja, dieser kleine Ort ist wohl ein Stück Paradies auf Erden, dessen Gastfreundschaft ich für ein paar kommende Tage in Anspruch nehmen darf.