Mitsubishi L200 (2016) im Test: Ein Pick-Up für alle Fälle

91afff32d4334396bb0673ad40cad47e - Mitsubishi L200 (2016) im Test: Ein Pick-Up für alle Fälle

Der 2,4 Liter große Vierzylinder des Mitsubishi L200 mit der Kraft von 181 Pferden rüttelt beim Anlassen nicht nur trotzig am Schalthebel, sondern lässt auch für einen Moment die gesamte Karosserie an seinem Erwachen teilhaben. Nach dieser Zeremonie aber waltet Ruhe im Schoß des thailändischen Monsters – auch wenn das raue Herz seiner Kraft in Form der nach Außen dringenden Geräuschkulisse gehörigen Respekt verschafft. Der Zweitonner mit Thompson-Bereifung schaufelt sich mühelos jede Böschung hinauf; wenn es sein muss, auch mit diagonalem Antrittswinkel. Seine Insassen schirmt er dabei bestmöglich von jeglicher mechanischen und elektronischen Arbeit des Räderwerkes ab.

Elsass-Vogesen-Trip mit zwei Geländefahrzeugen

Es ist ein kalter Morgen. Der Herbst umhüllt die bunten Blätter mit glasklarer Feuchtigkeit, die das aufkommende Sonnenlicht bricht und glitzernd wiedergibt. Die Wolken hängen tief und umhüllen die hohen Gipfel – trotzdem erhellt die Sonne die einzigartige Landschaft der Vogesen mit einem wohlig warmen Licht.

Galerie: Mitsubishi L200 im Test

Mitsubishi L200 im Test
Bild 20 von 27

Doch der – Porsche-Like – links positionierte Start-Knopf der fünften Generation des Mitsubishi L200 2.4 CleanTec Diesel greift in jenes idyllische Bild ohne Vorwarnung ein. Trotz Vierzylinder imponiert er in seiner schwarz-weißen Optik mit gesundem Drehmoment von 430 Nm, einer Thompson-Bereifung und großer Ladefläche.

Es ist kein Geheimnis, dass wir unseren Elsass-Vogesen-Trip mit zwei Fahrzeugen absolviert haben – allein aus Absicherungsgründen, sollte sich ein Fahrzeug mal im Dickicht verfranzen. Glücklicherweise ist uns dies erspart geblieben.

Artikelempfehlung Lada 4x4 - Mitsubishi L200 (2016) im Test: Ein Pick-Up für alle Fälle

Besseres Reiseauto als gedacht

Von einem Pick-Up dieser Preisklasse – abgesehen von den teureren und großen V8-Dodge/Chevy oder den ebenfalls von uns gefahrenen VW Amarok – erwartet man nun nicht gerade ein fantastisches Reiseerlebnis. Und auch wenn der L200 nicht unbedingt die perfekte Basis für eine achtstündige Autobahnfahrt liefert, fährt er erstaunlich ruhig und – mit seinen 181 PS – zügig.

Geschaltet wird entweder über ein serienmäßiges manuelles Sechsgang-Schaltgetriebe, das trotz des langen Hebels kurze und präzise Schaltwege aufweist, oder über eine Fünfstufen-Wandler-Automatik. Jene hatten wir nicht in unserem Testwagen, doch fünf Gänge in der heutigen Zeit der Acht- oder Zehngangautomaten erscheinen ein bisschen wenig. Da trägt auch der “Sport-Modus” nicht viel zur Modernisierung bei. Ganz gleich, ob die fünf Gänge gut abgestimmt sein mögen: es reicht einfach nicht mehr.

Auch wenn der Luftwiderstandsbeiwert (cw-Wert) nicht rekordverdächtig ist (0,40 – selbst der neue Kastenwagen des VW Crafter hat 0,33), hält sich der Verbrauch mit rund 9 Litern bei zügiger Fahrt und teilweise aktivierter Geländeuntersetzung in Grenzen.

Die in der Topversion serienmäßigen Ledersitze mit Kunstlederanteil sind bequem und für die Langstrecke oder für lange Arbeitstage im Wald ausgelegt. Der Qualitätseindruck des gesamten Innenraumes erscheint unter Berücksichtigung der Preisklasse und der Zielgruppe wertig. Lediglich das Lenkrad und einige Knöpfe erwecken einen groben Eindruck. Aber das gehört sich ja in einem solchen Pick-Up auch irgendwie.

Die Übersichtlichkeit im Cockpit als auch im Hinblick auf die Umgebung ist durch die Sitzposition und großen Fensterflächen sehr gut. Diese Übersicht ist auch enorm wichtig für den Geländeeinsatz.

Auch Komfortsysteme wie ein optionaler Spurhalteassistent, eine Berganfahrhilfe oder die Gespannstabilisierung helfen, die Reisetauglichkeit zu erhöhen.

Wer übrigens mit Wohnwagen in den Urlaub fahren möchte: 3.100 Kilogramm können an den L200 mit der größten Leistungsstufe angehängt werden. 3.500 Kilogramm sogar optional. Wenn das nicht mal eine Ansage ist …

Kleinster Wendekreis im Segment

Der Mitsubishi L200 hat eine Länge von über 5,2 Metern in der Ausführung Doppelkabine. Die Ladelänge beträgt 1,52 Meter. Das ist nicht Amarok-Niveau, aber durchaus wettbewerbsfähig. Doch bester Wert im Segment bietet seine Lenkung: der Wendekreis liegt bei 11,8 Metern. Abseits der Straßen ist eine möglichst niedrige Kennzahl hier absolut Pflicht.

Mitsubishi L200 2.4 mit Allradantrieb und optionaler Untersetzung

Das Fahrwerks-Layout des Vorgängers wurde auch beim jetzigen L200 übernommen. So kommt ein Doppelquerlenker inklusive Schraubenfedern vorne und Blattfedern an der hinteren Starrachse zum Einsatz. Auch hat Mitsubishi die Lenkung gestrafft: zwar ist im Gelände eine indirekte Lenkung von Vorteil, doch da selbst Pick-Ups viel auf asphaltierten Straßen fahren, ist eine etwas direktere Lenkung sinnvoll. Uns gefällt das durchaus – so eine feinfühligere Lenkung.

Die TOP genannte Top-Ausführung bietet neben dem – auch schon in niedrigeren Ausführungen – verfügbaren Allradsystem eine neue Drehmomentenverteilung von 40 zu 60 (Vorderachse zu Hinterachse). Mittels eines bis maximal 100 Km/h bedienbaren Drehschalters in der Mittelkonsole kann man vier Programme aufrufen: Heckantrieb, permanenten Allradantrieb, Allradantrieb mit Sperre des Mittendifferenzials und Allradantrieb mit Untersetzung und Mittendifferenzialsperre. Dieses Programm sorgt auch für eine variable Drehmomentenverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse.

Im letzten – optionalen – Geländefahrprogramm ist die Untersetzung so stark, dass man auf einer Ebene sogar im vierten Gang anfahren kann. Die Kräfte, die an alle vier Räder weitergeleitet werden, erwecken den Eindruck eines Panzers, der sich Zentimeter für Zentimeter den schlammigen Berg hochwalzt. Schlupf an den Rädern wird für die Insassen entweder gut kaschiert oder steht nicht an der Tagesordnung.

Der Kippwinkel des L200 liegt in allen Ausführungen bei 45 – die Steigfähigkeit bei 70 Grad. Durch das Wasser kann er bis z einer maximalen Wattiefe von 600 mm und der vordere Böschungswinkel beträgt 30 Grad, der hintere 25.

Navi-Zieleingabe schwer gemacht

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht: das Navigationssystem funktioniert gut und lässt sich in den meisten Fällen auch recht einfach bedienen. Nur die ein- oder andere Menüführung hat uns nicht ganz überzeugt. Das Bestätigen eines Zieles hat uns sogar über eine halbe Stunde überlegen und Bedienungsanleitung lesen gekostet.

1Mitsubishi L200 Pick Up Truck im Test von AUTOmativ.de Offroad 7 - Mitsubishi L200 (2016) im Test: Ein Pick-Up für alle Fälle
Nicht so einfach, das Navigations- bzw. Multimediasystem im Mitsubishi L200

Einstiegspreis: 26.290 Euro – Testwagenpreis 42.000 Euro

Für die Basisversion mit 154 PS und Club Cab (ebenfalls ein Viertürer, aber mit Selbstmördertüren am Fond) ruft Mitsubishi einen Einstiegspreis von 26.290 Euro auf. Hier sind schon eine Vielzahl von Sicherheitssystemen vorhanden. Wer aber beispielsweise Kopfairbags vorne und hinten, Seiten- oder Knieairbags haben möchte, muss sich mindestens mit der PLUS-Version für 32.890 Euro abgeben.

Mit jener sind dann auch eine Rückfahrkamera, Seitenaufprallschutz in den hinteren Türen und eine ISOFIX-Kindersitzbefestigung an Bord.

Die Topversion TOP hat natürlich dann alles nur wünschenswerte: mit dabei ist BiXenon-Licht, 17 Zoll große Alus, Chrom-Außenspiegel, Kotflügelverbreiterungen, LED-Tagfahrlicht, Lichtsensoren, Dekore in Klavierlack-Optik, seitliche Trittbretter, zwei Zonen Klimaautomatik, das Navigationssystem und eine zweistufige Sitzheizung vorne.

Unser Testwagen hatte übrigens spezielle 18 Zoll Räder mit geschmiedeten Leichtmetallfelgen montiert, die nicht nur gut aussehen, sondern zusammen mit den Thompson Reifen ein extrem griffiges Profil aufwiesen.

Neben dem vergleichsweise niedrigen Einstiegspreis hat Mistubishi auch die Ölwechsel-Wartungsintervalle von steinzeitlichen 15.000 auf 20.000 Kilometer erhöht. Im PKW-Segment haben die Vorreiter inzwischen 30.000 Kilometer an Wartungsintervallen. Die Herstellergarantie von 5 Jahren oder 100.000 Kilometern ist dabei eine sehr gute Sache.

Ein Mitsubishi L200 ist (sich) einfach nicht zu schade für eine Kies- oder Kohlegrube. Der VW Amarok ist für diesen Einsatz einfach zu schön und zu teuer. Dabei kann der L200 auch all das, was der Amarok kann – nur eben nicht (bewusst) auf so einem hohen Qualitätsniveau. Auch ist der L200 kein Schönheitsideal. Doch in der richtigen Konfiguration macht er ganz schön was her – und dem Gegenverkehr Angst.

Wachsendes Pick-Up-Segment in Europa

Das Segment der Pick-Ups erfährt in Europa ein so starkes Wachstum, dass sogar Mercedes-Benz als Newcomer seine Chancen wittert. Der Mitsubishi L200 tritt auf direkten Niveau gegen Nissan Navara und Toyota Hilux an, während VW Amarok und die kommende Mercedes X-Klasse ein höherpreisiges Segment bearbeiten.

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

Benjamin Brodbeck has 1423 posts and counting. See all posts by Benjamin Brodbeck

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert