Neuer Audi A6 55 TFSI (C8) im ersten Fahrbericht: Geschmeidiger Komfort-Athlet
„Sie wünschen, wir spielen!“ Der Philosophie dieser berühmten SDR1-Radiosendung aus den Siebzigern hat sich der neue Audi A6 angenommen. Nicht nur, dass er – im wahrsten Sinne des Wortes – spielt, was Sie wünschen – vielmehr: er fährt, wie Sie es befehlen. Und das konsequent und messerscharf, ob bei den Assistenzsystemen, der Fahrdynamik oder dem Alltags-Arrangement. Die Spreizung zwischen athletischer Sportlichkeit und komfortabler Disziplin ist bei dem von mir getesteten Audi A6 55 TFSI Quattro der Generation C8 beeindruckend. Erster Fahrbericht.
Nahezu schwereloser Leichtfuß
Es ist bemerkenswert, wie leichtfüßig der neue Audi A6 55 TFSI vom Parkplatz rollt – nein, schwebt. Vorsichtige Gaspedal-Befehle werden direkt in Vortrieb umgesetzt – ohne Verzögerung, ohne Ruckeln, extrem geschmeidig. Die Lenkung beim Rangieren geht so leichtgängig, dass ich mich im ersten Moment über deren Befehlsankunft an der Vorderachse vergewissern muss.
Warme und satte Klänge begrüßen mich dazu nicht nur beim Einsteigen und Aktivieren der Zündung, sondern erfassen meine Sinne fortwährend – ob beim Einlenken, Beschleunigen, Schalten oder beim Bedienen der Komfort-, Unterhaltungs- und Assistenzsystematik.
Die fein genähten – optionalen – Ledersitze schmiegen sich unbemerkt an den Körper und generieren so ein Maximum an Auflagefläche. Das ist nicht nur für lange Autobahnfahrten äußerst entspannend, sondern auch für zügige Kurvenfahrten. Zur Fahrdynamik aber später mehr.
Im neuen Audi A6 fühlt man sich wie im Audi A7 und A8
Ob A6, A7 oder A8: optisch und technisch sind sie alle Geschwister mit verschiedenen Ausprägungen und Schwerpunkten. Während ein Audi A8 eher ein „gefahren-werden“-Auto ist, stellen Audi A7 und A6 ganz klar Selbstfahrer-Autos dar. Die Front des A6 unterscheidet sich mehr oder weniger durch sein Scheinwerferdesign von seinen höherklassigen Geschwistern.
Hier gibt es übrigens auch – optional – Voll-LED-Matrix-Licht mit den dynamischen Blinkern für 2.100 Euro, aber kein Laserlicht. Wer auf die laufenden Blinker verzichten kann, weil das Auto eh schon cool genug ist, zahlt 550 Euro weniger. Auf den ersten Blick ist es einem ungeübten Auge nicht möglich, die verschiedenen Ober- und Luxusklassefahrzeuge zu unterscheiden. Aber vielleicht ist das auch so gewollt.
Um die fahrerorientierte Philosophie des Audi A6 zu unterstreichen, sind unter anderem auch die beiden Displays in der breiten Mittelkonsole leicht zum Fahrer geneigt. Tatsächlich unterscheidet sich das Cockpit nicht wesentlich von dem des A7. Es scheint sogar so, als wäre es Eins zu Eins vom A7 entnommen und in den A6 implementiert – und als sei der A6 nur eine weitere Variante des A7. Oder eben andersherum.
Dieser Einheitsbrei ist einerseits langweilig – andererseits generiert dieser aber auch unglaubliche Fertigungs- und Produktionsvorteile. Audi vermeidet damit nicht nur hohe Kosten für wegfallende Eigenentwicklungen und erhöht so natürlich auch seine Marge; auf der anderen Seite der Medaille stehen dadurch aber auch höhere Qualitätsstandards aufgrund – unter anderem – höherer Stückzahlen und damit auch einer höheren Fertigungspräzision.
Und die ist – zusammen mit einem leichteren, lichtdurchfluteten und moderneren Interieur – nochmals deutlich besser als die eines BMW 5er.
Eines der hochwertigsten Interieurs auf dem Markt
Und das merkt man sofort: peinlich genaue Ziernähte, Knöpfe und Taster höchster Materialgüte sowie exakte Fugen und Passungen zieren das Interieur. Die haptische Rückmeldung jeder Bedienoberfläche ist perfekt – und wird mit dem typischen „Audi-Klick“ untermalt.
Jedoch gibt es ein Bauteil, mit dem ich nicht zufrieden bin: die Schaltwippen hinter dem Lenkrad. Ja, das ist jammern auf höchstem Niveau, aber Audi lässt einem dabei keine Wahl. Beim manuellen Schalten am Lenkrad fällt auf, dass die Schaltpaddels manchmal knarzen und einen – im Vergleich zum restlichen Interieur – unterdurchschnittlichen Werteeindruck vermitteln. Schade, denn sie stehen bei sportlicher Fahrweise im Zentrum des Geschehens.
Die Bedienbarkeit des Audi Multimediasystems mit Audi touch response – das sind die beiden großen Displays, die übereinander angeordnet sind – ist exzellent. Das System – inklusive dem virtuellen Cockpit – kostet beim A6 2.200 Euro Aufpreis, ist aber eines der Must-Haves. Denn gerade dieses System wertet das Interieur maßgeblich auf.
An das neue Multimediasystem des VW Touareg kommt die Kombination der beiden Systeme trotzdem nicht heran. Außerdem lenkt der tiefer sitzende Bildschirm unter anderem zur Bedienung der Klimaautomatik während der Fahrt die Augen zu stark von der Straße. Gut, dass die Sprachbedienung so gut und so ausgereift ist, dass man der freundlichen Computerdame auch ganze spontane Sätze sagen kann. Zur Bedienbarkeit des Systems haben wir hier ein Video produziert:
Kunstwerk A6: dem Fahrdynamik-Himmel so nah wie noch nie
Der aktuelle Audi A6 ist auf dem deutschen Business-Limousinen-Markt – an den ausgelieferten Einheiten gemessen – deutlich hinter Mercedes E-Klasse und BMW 5er. Das könnte aber auch daran liegen, dass der Wettbewerb aus München und Stuttgart seine Fahrzeuge schon modernisiert hat und die Kunden nur auf den aktuellen A6 gewartet haben. Warten wir es ab. Eines steht jedoch fest: das Warten hat sich gelohnt.
Nicht nur überzeugt das Interieur unter anderem mit exzellentem Sitzkomfort, einer großzügigen und lichtdurchfluteten Architektur und überdurchschnittlich guter Bedienbarkeit – auch die Fahrdynamik begeistert. Die Fahrkünste des Audi A7 50 TDI und 55 TFSI in Südafrika haben mich nicht begeistert. Und obwohl die Architektur des Chassis, der Antriebsstrang und das Gewicht nahezu identisch zum A7 sind, lässt sich der neue Audi A6 deutlich geschmeidiger bewegen.
Audi hatte für uns eine Route über die Autobahn ausgesucht, um nochmals die Assistenzsysteme und den Fahrkomfort der Limousine auszuprobieren (siehe Video). Danach folgte eine rund 20 Kilometer lange Teilstrecke durch Spitzkehren und engen, kurvigen Straßen, die mit ihrer Dimensionierung die Außenabmessungen des neuen Audi A6 unterlagen.
Beim Verlassen der Autobahn wechselte ich mittels des Fahrdynamik-Reglers in den Dynamik-Modus. Das sportlichste Fahrprogramm veranlasste die 1,9 Tonnen schwere Limousine sofort, das optionale Luftfederfahrwerk zu senken, die Lenkung mit mehr Widerstand auszustatten und die weitere übliche Verwandlung zum Sportspezi zu vollziehen. Bislang nichts Ungewöhnliches.
Neuer Audi A6 trägt schon jetzt RS-Gene in sich
Doch bei der ersten Vollbelastung des Gaspedals drückt es mich unerwartet in den Sitz – und zwar gleich von Anfang an. 500 Nm Drehmoment – dank 48 Volt Startergenerator, der in Form eines Elektromotors direkt die Kurbelwelle antreibt – liegen extrem früh an. Dieser Schub und der beim 55 TFSI und 50 TDI serienmäßige Allradantrieb bewirkt eine Beschleunigung von 5,1 Sekunden von 0 auf 100 Km/h.
Doch damit nicht genug: satt und drehfreudig schiebt der V6-Benziner mit drei Litern Hubraum an. Die Elektro-Unterstützung spüre ich im Popometer. Es ist dieses typische, sachte, aber kraftvoll ausgearbeitete Gefühl des Tesla Model S P90D-Schubs, gepaart mit emotionaler Zylinderakustik. Schaltwechsel führe ich manuell über die Schaltwippen oder über den Wählhebel in der Mittelkonsole durch. Tatsächlich – und das ist nicht übertrieben – lechzt der A6 55 TFSI nach Drehzahlen. Ohne Zugkraftunterbrechung aber vollkommen geschmeidig und souverän wird der jeweils nächste Gang am Ende des Drehzahlbands eingelegt.
Das ist immer noch nicht alles, denn das wirklich Faszinierende folgt erst jetzt: die Kurven. Seine Hingabe für die Querbeschleunigungs-Disziplin ist phänomenal. Nicht nur, dass das Luftfederfahrwerk mit Dämpferregelung – kostet zusammen 3.130 Euro – jegliche Unebenheiten wegbügelt ohne diese nicht trotzdem an den Fahrer zu vermelden, sondern dass dieses schwere Koloss plötzlich fährt, als wäre es auf einem RS-Trip.
Sportskanone mit Allradlenkung, Sperrdifferenzial und Luftfederung
Ich weiß noch allzu gut, wie ich den Audi RS4 Avant über ganz ähnliche Streckenpassagen befördert habe. Tatsächlich erinnert mich das sehr sportliche Fahren des Audi A6 55 TFSI in seinen Grundzügen an die RS-Charakteristik – dank moderner Fahrdynamiksysteme. So wie zum Beispiel die Allradlenkung, die das Heck gefühlt schon vor der Kurve anstellt und damit aggressiver positioniert. Der Allradantrieb zieht und schiebt an allen Fronten die Limousine in die Kurve hinein und wieder heraus und das Sportdifferenzial verteilt nochmal die Kräfte an der Hinterachse vorteilhafter.
Und klar: der Dynamik-Modus macht aus dem Luftkissenauto keinen VLN-Renner. Doch um schnell zu sein, benötigt man kein bretthartes Fahrwerk. Nur das Feeling ist ein leicht in Watte gepacktes. Reine Abstimmungssache.
Und so legt sich der Audi A6 in jede Kurve, ohne seine Masse an den Fahrer zu kommunizieren. Leichtfüßig und völlig souverän – ganz ohne Reifenquietschen oder zickigem Hecktänzeln vertritt er schon fast die eher langweilige Volkswagen-Konzernabstimmung der sportlichen Modelle. Mit anderen Worten: man kann wenig falsch machen, hat aber trotzdem Unmengen an Spaß und ist verdammt schnell. Das beeindruckt.
Fazit zum neuen Audi A6 55 TFSI Quattro (340 PS, 500 Nm)
Optischer Eindruck | +++++ |
Qualität Karosserie | +++++ |
Qualität im Interieur | +++++ |
Lenkung | ++++ |
Fahrwerk | +++++ |
Motor | +++++ |
Raumangebot | ++++ |
Digitales Bedienkonzept | ++++ |
Innovation | ++++ |
Preis | +++ |
Gesamteindruck | +++++ |
+++++ = Maximum |
Vorsprung durch Technik. Ja, das stimmt in diesem Fall. Den Rückstand, verursacht durch die Dieselkrise, muss Audi zwar erst wieder aufholen, doch auch ich lege meine Hand ins Feuer, dass die neuen Motoren mit den neuen Abgasreinigungssystemen verdammt sauber sind. (Und ich brauche meine Hand als Pianist – bitte schätze diesen Vertrauensvorschuss, Audi)
Der neue Audi A6 55 TFSI ist modern, vielseitig und leistungsstark. Er überzeugt durch sein offenes Interieur, seine überdurchschnittlich hohe Qualität und sein geschmackvolles Design. Nicht zuletzt fährt er genau so, wie ich mir eine Business-Limousine vorstelle. Und ab und zu kann man mit ihm sogar ordentlich Spaß haben – beim Kurvenräubern.