Neuer Erdgas-Golf TGI (CNG) im Test: Mit vier Strohballen 11.400 Kilometer weit – CO2-neutral!
Ist Elektromobilität das Allheilmittel für alle Mobilitätsbereiche? Wir scheinen mittlerweile zu wissen, dass dies nicht der einzige Weg in die Zukunft sein kann. Zu groß die Kritik, zu hoch die dadurch entstehenden Umweltschäden – zumindest noch. Auf den CNG Mobility Days in Berlin diskutierten Vertreter des CNG Industriekreises, der Volkswagen Konzern sowie Abgeordnete des Berliner Bundestags über die Zukunft der Mobilität im Allgemeinen – und CNG bzw. Erdgas und Biogas im Besonderen. Darüber hinaus konnte ich den neuen VW Golf TGI ausprobieren, der mit 130 PS aus einem mit CNG betriebenen 1,5-Liter-Dreizylinder für die Stadt auf jeden Fall nicht untermotorisiert ist. Charmant daran: Mit Biogas würde man mit der aus 4 Strohballen entstehenden Menge an Methan rund 11.200 Kilometer weit kommen.
Grüne Mobilität gleich E-Mobilität?
Wenn es in Diskussionen um „Grüne Mobilität“ geht, fällt der Begriff der Elektromobilität nahezu immer als erstes. Tatsächlich ist sie aber bei Weitem nicht die einzige Form der umweltfreundlichen und vermeintlich CO2-neutralen Mobilität – und deswegen eine durchaus attraktive Ergänzung zur aktuellen Mobilitätsstruktur und -vision.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung CO2-neutraler und sofort verfügbarer Mobilität: Aus der Energie von vier Strohballen könnte man ein ganzes Jahr Autofahren. Wie? Ein gepresster Strohballen wiegt rund 500 Kilogramm. Im Silo – mittels biologischem Verfahren – wird daraus innerhalb von 30 bis 60 Tagen Biogas – und das komplett CO2-neutral und umweltfreundlich. Und diese Menge an entstehendem Biogas reicht aus, um mit einer Mittelklasse-Limousine über 11.000 Kilometer weit fahren zu können.
Überrascht? Kann man durchaus sein. Marktführer in diesem Bereich ist die Verbio Vereinigte BioEnergie AG, die innerhalb von neun Jahren dieses Verfahren entwickelte und heute zu einem großen Teil in das Gasnetz einspeist – und somit Tankstellen mit CO2-neutralem Biogas beliefert.
Und bevor jetzt wieder die Debatte rund um „Teller oder Tank“ hochkommt: Dieses Biogas wird aus sogenannten „Reststoffen“ hergestellt. Diese sind nicht essbar oder anderweitig verwertbar. Mehr noch: Würde gemähtes Gras auf dem Feld liegenbleiben, entstünde bei der natürlichen Zersetzung Methan, das unkontrolliert in die Atmosphäre entweicht und 25 Mal klimaschädlicher ist als CO2.
Biogas wird nicht als solches angerechnet
Der Anteil an Biogas (bzw. Biomethan) – also Gas aus sogenannten „landwirtschaftlichen Reststoffen“ – im Tankstellen-Erdgasnetz liegt in Deutschland aktuell bei rund 20 Prozent. Im allgemeinen Erdgasnetz allerdings liegt er erst bei einem Prozent. Durch die Abhängigkeit der Branche von politischen Haltungen schwankte dieser Anteil in den letzten Jahren. Doch alle Zeichen stehen auf Wachstum: Prognosen sprechen mittelfristig von rund 30 Prozent.
Dieser beträchtliche Anteil von Biogas im Erdgas wird tatsächlich im CO2-Ausstoß der jeweiligen CNG-Fahrzeuge nicht berücksichtigt. Ein Beispiel: Wenn Volkswagen 100.000 CNG-Fahrzeuge verkaufen würde, verringert sich der Flottengrenzwert – auf dem Papier – nur um ein Gramm. Und das obwohl 20 Prozent (oder in Zukunft dann bis zu 30) der ohnehin schon niedrigeren CO2-Emissionen gegenüber mit Benzin oder Diesel angetriebenen Fahrzeugen fortwährend im Umweltkreislauf verbleiben.
Und: Fahrer von Erdgasfahrzeugen können auch proaktiv an ausgewählten Tankstellen ausschließlich Biogas tanken.
VW Golf TGI: Kein Unterschied bei der Gasannahme
Als ich vor über 10 Jahren eines meiner ersten Praktika bei KST-Motorenversuch in Bad Dürkheim – einem Motorenprüfstandsunternehmen – absolvierte, hatten wir dort auch den Turbomotor des heutigen „Care4Climate-Teams“ von Sänger und Rennfahrer Smudo auf dem Prüfstand. Der Scirocco kam damals auf rund 300 PS und war ebenfalls mit Erdgas betrieben. Klar, die Serienmotoren der heutigen Fahrzeuge sind allesamt weniger potent motorisiert, verfügen aber durchaus über eine ähnliche Kraft wie der jeweilig vergleichbare Benzinmotor.
Erdgasmotoren unterscheiden sich technisch kaum von Benzinmotoren, denn sie können ja auch mit Benzin betrieben werden. Die Entwicklung ist mittlerweile schon so weit, dass man in der Motorcharakteristik keinen wirklichen Unterschied zum Benzinmotor ausmachen kann. Überraschend ist in diesem Zusammenhang das Ansprechverhalten: Waren mit Erdgas betriebene Fahrzeuge vor nicht all zu langer Zeit noch etwas zögerlich beim Beschleunigen (vor allem aus dem Stand), fahren sich die heutigen ohne spürbare Verzögerung. Und überhaupt ist der Unterschied in der Fahr-Charakteristik zu einem Benzinfahrzeug kaum vorhanden.
So auch beim Golf TGI: Das manuelle Sechsgang-Schaltgetriebe ist handlich und lässt den 1,5 Liter kleinen Vierzylinder mit seiner kurzen Übersetzung im Stadtverkehr relativ rasch beschleunigen. Keine Verzögerung am Gaspedal, keine Unregelmäßigkeiten beim Ausdrehen. Und der Motor klingt sogar noch weich und sonor – zumindest bilde ich mir das ein.
Bisschen weniger Kofferraum
Einschränkungen gibt es so gut wie keine – außer hinten im Kofferraum: Hier verschwindet der Platz unter dem Laderaumboden, denn dort walten beim Golf TGI (oder Polo TGI) ein Teil der Gasdruckbehälter, die mit 200 bar befüllt sind. Der dritte Erdgastank ist aus speziell beschichtetem, hochfestem Stahl gefertigt. Er verfügt beim Golf über ein Volumen von 23 Litern und erhöht das gesamte CNG-Tankvolumen auf 115 Liter respektive 17,3 kg, was eine Reichweite von bis zu 422 Kilometern im WLTP und reinen Erdgasmodus ermöglicht.
Zwei Tankanzeigen zu haben ist tatsächlich ungewohnt. Da die neuen CNG-Modelle von Volkswagen quasi-monovalent sind, verfügen sie über deutlich kleinere Reserve-Benzintanks. Nach wie vor haben sie aber zwei Einfüllstutzen.
Nicht nur ist der eigentliche Tankvorgang einfach, sondern auch relativ günstig. So ist der Anschaffungspreis von Erdgasfahrzeugen zwar höher, die Kosten für Unterhalt und Kraftstoff aber wesentlich niedriger. So amortisieren sich die höheren Anschaffungskosten – gerade bei Vielfahrern – relativ schnell wieder und stellen so eine zusätzliche Motivation dar, noch sauberer und (im Falle von Biogas) nahezu CO2-neutral zu fahren.
Charmant an der Technologie von Erdgasfahrzeugen ist ihre sofortige Verfügbarkeit. Die Technologie ist da, die Autos und die Kraftstoffe auch – und das zu einem überaus erschwinglichen Preis: Denn langfristig gesehen fährt man mit CNG deutlich günstiger und umweltfreundlicher. Die Tankstelle verlässt man daher eher mit einem Grinsen, als mit dem Gedanken an das eigene Bankkonto.