Porsche & Ducktails

Der Porsche Carrera 2.7 RS mit seinem legendärer Entenbürzel

7c8e560728014d7cb40008d4a1458bf4 - Der Porsche Carrera 2.7 RS mit seinem legendärer Entenbürzel

Wochenlang fragten wir uns, mit welcher Veröffentlichung man am Besten eine exklusive Beitragsreihe mit Namen „Porsche & Ducktails“ beginnt. Auf jeden Fall mit einer Ikone. Und auf jeden Fall mit einer Story, die beide Attribute dieser Beitragsreihe enthält. Eine Ikone, die momentan so viel wert ist wie eine kleine Penthouse-Wohnung in Stuttgart, ist der legendäre Porsche Carrera 2.7 RS Baujahr 1973. Liebevoll gennant war es der 911er mit dem sogenannten Entenbürzel – in Übersee ‚Ducktail‘. Doch warum sind Porsche-Sammler auf der ganzen Welt hinter ihm her und bezahlen Top-Summen? Eine Antwort darauf mag sein: Sammler kaufen Geschichte. Und genau diese Geschichte wird im ersten Teil dieser sonntäglichen Reihe nun erzählt.

Galerie: Porsche Carrera 2.7 RS

Porsche Carrera 2.7 RS
Bild 2 von 4

Porsche Carrera 2.7 RS

70er Jahre: Porsche 911 in Kurven langsamer als Ford Capri

Zu Beginn der 70er Jahre gab es unter Porsche Piloten bei vielen Rundstreckenrennen ziemlichen Aufruhr, weil ihre leistungsmäßig überlegenen Porsche 911 in Kurven von damaligen Konkurrenzfahrzeugen (vor allem Ford Capri 2600 RS, BMW 1602/2002) bedrängt beziehungsweise überholt wurden. Ihre massiven Beschwerden fanden beim damaligen Porsche Entwicklungschef Helmuth Bott rasch Gehör – diese Blamage konnte sich Porsche nicht leisten!

In einem durch Bott kurzfristig anberaumten Gespräch bekamen mein Chef und ich den Eilauftrag, mit Hilfe „irgendwelcher“ aerodynamischer Maßnahmen rasch effektive Abhilfe zu schaffen. „Es darf aber dadurch nicht zu einer neuen Karosserie führen“ forderte Bott. „Jeder Porsche Pilot muß sein bestehendes Fahrzug mit den erwarteten Maßnahmen umrüsten können“. Sprach’s – und ließ uns allein.

Eine aerodynamische Lösung musste gefunden werden

Die Problematik war uns beiden Aerodynamikern klar: die designmäßig klassische Linie des Porsche 911 wirkte aerodynamisch wie ein Flugzeugflügel: je schneller die Luft von vorne anströmte, umso stärker wurde der Auftrieb an beiden Achsen. Das Fahrzeug wurde folglich mit zunehmender Geschwindigkeit immer leichter – somit nahmen die von den Reifen in Kurvenfahrten aufzubringenden Seitenführungskräfte rapide ab.

Schon Ende der 60er Jahre war dieses Problem – zumindest an der Vorderachse – durch Einsetzen von Blei in der vorderen Stoßstange „verbessert“ worden. Für einen Ingenieur eine nicht hinnehmbare Lösung (Zusatzgewicht verschlechtert das angestrebte geringe Leistungsgewicht).

1972 hatten wir dieses Problem durch eine aerodynamisch wirksame Spoilerlösung (neuer Stoßfänger vorn mit integrierter Aerodynamiklippe) an der Vorderachse drastisch verbessert – der Auftrieb verringerte sich dadurch um mehr als fünfzig Prozent! Noch wichtiger jedoch wegen des Heckantriebs war, den Auftrieb an der Hinterachse im mindestens gleichen Maß zu verringern und somit eine Balance zwischen den beiden Achsen zu erreichen.

In den 70er Jahren gab es noch überhaupt keine Spoiler!

Es gab kein Vorbild – ‚Spoiler‘ an Serienfahrzeugen waren 1972 noch unbekannt. Lediglich bei unseren Rennfahrzeugen hatten wir kleine Luftleitbleche – vor allem im vorderen Bereich. Brainstorming mit unserem Werkstattmeister führte uns zu einem aus Blech gefertigten Aufsatz auf dem Motordeckel, den wir mit verschieden großen Blechen, Pappe und Tesaband für kurzfristig angesetzte zweitägige Windkanaltests (Windkanal der Uni Stuttgart) variieren konnten.

Die aerodynamische Idee: Verlängerung der beim Serienfahrzeug bereits im oberen Heckscheibenbereich abreißenden Luftströmung weitestgehend nach hinten mit dann definierter Abrisskante.

Aus ‚definierter Abrisskante‘ wurde ‚Entenbürzel‘

Nach anderthalb Tagen hatten wir einen Heckaufsatz mit den wichtigsten aerodynamischen Hauptabmessungen (Breite, Länge und Höhe Abrißkante) ermittelt, der neben massiver Verringerung des Hinterachsantriebs (auch hier deutlich mehr als fünfzig Prozent!) eine gleichzeitig wesentliche Verbesserung der Windschlüpfrigkeit (Cw-Wert) mit sich brachte.

Bott ließ sofort seinen besten Fahrer, Günter Steckkönig, auf der hauseigenen Weissacher Prüfstrecke Rundenzeitenvergleiche fahren – mit unserem Heckaufsatz ergaben sich (für viele, die diesem optisch stark ins Design eingreifenden Aufsatz äußerst kritisch gegenüberstanden, überraschend) deutlich verbesserte Rundenzeiten, von denen wir Aerodynamiker aufgrund der Windkanaltests bereits überzeugt waren.

Sofort erteilte Bott seinen Designern den Auftrag, diesen Heckaufsatz stilistisch zu überarbeiten. Innerhalb weniger Tage entstand daraus der erste Heckspoiler für ein Serienfahrzeug – der sogenannte Entenbürzel.

Vertrieb: Design des Porsche Carrera 2.7 RS scheußlich

Einziger ‚Wermutstropfen‘: aus Homologationsgründen musste eine Kleinserie von mindestens 500 Fahrzeugen verkauft werden. Ein Prototypfahrzeug des Porsche Carrera RS 2.7 wurde aufgebaut und dem Vertrieb im Entwicklungszentrum präsentiert. Die Vertriebsverantwortlichen hielten die geforderte Stückzahl für nicht verkaufbar – maximal hundert Fahrzeuge mit diesem „scheußlichen Entenbürzel“ seien zur Not absetzbar.

Wer heute einen Original Carrera RS 2.7 besitzt, wird darüber schmunzeln und sich über den Besitz dieses heute wertvollsten Porsche Serienfahrzeugs glücklich schätzen.

Entenbürzel als Ausgangsentwicklung für die Spoiler dieser Erde

Der Entenbürzel wurde somit Ausgangspunkt für viele seitdem entwickelte Heckspoiler – nicht nur am 911. Alle Porsche Fahrzeuge und zahlreiche Fahrzeuge andere Marken weltweit sind inzwischen mit dieser wegweisenden Aerodynamikhilfe versehen.

Ein Gedanke zu „Der Porsche Carrera 2.7 RS mit seinem legendärer Entenbürzel

  • Sehr schöne Story!! Schöner Artikel!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert