Sitzprobe im neuen Rolls-Royce Phantom – oder doch in einer Luxusyacht?
Ich befinde mich auf der Vienna Autoshow 2018. 400 Neuwagen von 40 Automarken sind zu sehen, darunter eine Weltpremiere von Citroën, eine Europapremiere von Alfa Romeo und mehr als 30 Österreich-Premieren. Alles schön und gut – ein bisschen warm ist es aufgrund der Menschenmenge geworden, aber das hält mich nicht auf, mein erstes Ziel zu erreichen: mein Date mit dem neuen Rolls-Royce Phantom.
Neuer Rolls-Royce Phantom mit 571 PS
Allein der Gedanke an den 571 PS starken 6,75-Liter-Zwölfzylinder, der das 2,6 Tonnen schwere Koloss mit seinen riesigen 22 Zoll Felgen in nur 5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt, treibt mich schneller durch die Gänge. Mit jedem Schritt der Näherung steigt die Spannung.
Nach nur wenigen Minuten habe ich ihn entdeckt und bin von der Anzahl der Betrachter nicht überrascht. Denn alleine sein mächtiges Aussehen stiehlt den anderen Autos die Show. Umso mehr steigt die Aufregung, als plötzlich alle Augen für einen Moment auf mich und mein Team gerichtet sind, weil wir die einzigen sind, die den abgesperrten Bereich betreten dürfen. Wir sind somit ganz nah an der achten Generation des Rolls-Royce Phantom.
Wie die Queen – majestätisch, aber nicht arrogant!
Die Aufregung wird aber sehr schnell von Begeisterung übertroffen, denn was ich sehe und direkt vor mir habe, ist ein Luxus, den ich vermutlich so schnell nicht wieder erleben werde. Aufgrund der leichten Unterschiede zu den Vorgängern, ist die neu gezeichnete Front erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Zum ersten Mal ist der Kühlergrill in die Fahrzeugfront eingelassen und steht höher als bisher im Wind. Die Scheinwerfer werden vom Tagfahrlicht eingefasst und der Rahmen der Seitenfenster ist laut Rolls-Royce das größte Teil aus handpoliertem Edelstahl, das momentan in einem Automobil verbaut wird.
Typisch für einen Rolls-Royce sind einerseits der kurze Überhang an der Front und der lange am Heck, sowie die gegenläufig öffnenden ‚Coach Doors‘, die bei der neuen Generation um eine automatische Schließfunktion erweitert wurden. Damit sich die Türen von alleine schließen, muss einfach nur ein Sensor berührt werden.
Dass die Briten Fans von Details und Handgemachtem sind, sieht man schnell: so ist zum Beispiel die Coachline handgemalt. Aber auch die Koordinaten mit Höhen- und Breitengrad von Goodwood – das Headquarter von Rolls-Royce in England – sind an vielen Stellen von Hand eingraviert. So zum Beispiel in die Uhr, in die Fahrertür, in die Armaturentafel und in die Kühlerfigur.
Branding spielt bei Automobilherstellern eine übergeordnete Rolle. So ist das Rolls-Royce Logo fast überall vorhanden und gut sichtbar. Es dreht sich auch im Stern der mächtigen 22 Zoll Felgen, die übrigens zur Verringerung des Abrollgeräusches eine Schaumstoffschicht im Hohlraum enthalten. All das ist doch einfach der Wahnsinn oder? Aber da geht noch mehr!
‚It’s a kind of magic!‘
Jetzt ist es endlich so weit und ich öffne die Türen des neuen Phantoms durch Berührung des Sensors. Schon der Tritt über die Schwelle in den Innenraum auf den weichen Lammfell-Teppich hat etwas Erhabenes. Sofort ins Auge fallen die Materialien: nur die feinsten und edelsten, wie Leder, Holz, Glas, Metall und Seide werden verwendet. Die Sitze sind handgefertigt, der Sternenhimmel wurde mit über 1.000 LEDs geschmückt. Durch das 130 Kilogramm schwere Dämmmaterial ist bei geschlossenen Türen von der Außenwelt kaum etwas zu hören. All das führt zu einer fast schon magischen Atmosphäre.
Galerie: Vienna Auto Show 2018 - Highlights
Als leidenschaftliche Autofahrerin erforsche ich natürlich zuerst den vorderen Bereich des Innenraums. Mit viel Platz für die Beine und einem Knopfdruck schließe ich die Fahrertür und sehe sofort den Startknopf, der – wie bei Porsche – links ist. Ein Achtgang-Automatikgetriebe von ZF ist an den 6,75-Liter großen Zwölfzylinder gekoppelt. Kaum zu glauben auf den ersten Blick: aber der Phantom beinhaltet viel Hightech!
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Überall High-Tech
Dadurch, dass die Instrumente digital sind und somit im inaktiven Zustand nicht sichtbar, stört es nicht, dass ein BMW Navigationssystem vorhanden ist. Ebenso lässt sich mit einem Klappmechanismus in der Mittelkonsole auch der Drehkopf verstauen. Dieses Konzept zieht sich durch die Luxuslimousine. Wird etwas nicht gebraucht, lässt es sich in die Lehne klappen und verschwindet. Denn Rolls-Royce möchte nicht, dass die Technologie sichtbar ist, die nicht gebraucht wird.
Was aber unbedingt sichtbar ist, ist die Armaturentafel, die durch ein eingebettetes Kunstwerk individualisiert wird. Zum ersten Mal in der Automobilgeschichte können sich Kunden aussuchen, wie ihre ‚Gallery‘ aussieht und von wem sie gemacht wird.
Obwohl ich von der Gemütlichkeit des Fahrersitzes schon fast dahingleite, will ich mir jetzt noch richtig ‚gönnen‘ und begebe mich in den hinteren Bereich, in dem normalerweise auch die Queen sitzt. Denn wer sich einen Rolls-Royce Phantom VIII leisten kann, der wird von jemand anderem gefahren.
Pure ‚Gönnung‘!
Kaum befindet man sich auf den hinteren Sitzen, fallen einem schon die Augen zu und der Kopf ruht in einer anschmiegsamen Stütze. Schlafen? Nein, denn sonst verpasse ich ja den Film, der auf dem 12,3-Zoll-Display spielt. Aber zum Filme schauen bin ich nicht hier, daher verstecke ich den Bildschirm hinter einer Abdeckung in der Rücklehne des Vordersitzes und probiere die vielen Knöpfe in der Mitte und an den Seiten aus.
Mit diesen Tasten kann ich nicht nur mit einem Knopfdruck die Türen schließen, sondern auch die Sitzbelüftung, die Arm- und Sitzheizung und die Lautstärke einstellen. Doch der ‚Foot Rest Step‘-Knopf ist definitiv mein Highlight, denn damit kann man den Fußboden verstellen.
Die Mittelkonsole beinhaltet einerseits das iDrive-System, wodurch ich auch von hier hinten das Navi steuern kann. Darüber hinaus gibt gibt es auch einen Kühlschrank mit zwei Champagner-Gläsern, ein Fach für Spirituosen nach Wahl und zusätzlich zwei Tumbler-Gläser. Die Versuchung ist groß, doch leider gibt es weit und breit keine Getränke.
Ich bin froh, dass ich beim Verlassen des Rolls-Royce Phantom in einer Halle bin und nicht Gebrauch von dem in der Tür versenkten Regenschirm machen muss, der per Knopfdruck herausschießt. Denn ist er einmal verloren, zahlt man für den Ersatz rund 900 Euro.
Fünf Tage sind seit der Vienna Autoshow 2018 und meiner Begegnung mit dem Rolls-Royce Phantom VIII vergangen. Und doch kann ich diese unglaubliche Luxuslimousine nicht vergessen. Tagtäglich stelle ich mir vor, wie schön es jetzt wäre, damit – ganz egal wo – zu rollen.
Bilder: Manuel Rampl